Land of the Free: Das R21-Update zur Wahl in den USA
Amerika hat gewählt. In der vierten Folge unserer Interviewreihe „Land of the Free“ spricht R21-Geschäftsführer Martin Hagen mit der R21-Amerikaexpertin Sarah Pines über die Ursachen und Folgen der Wahl: Über Identitätspolitik und Wokeness, Elben und Hobbits, die Abrechnung der amerikanischen Wähler mit der Scheinheiligkeit und die Hysterie derer, die Trump fürchten.
Liebe Sarah, die US-Präsidentschaftswahl hat einen klaren Sieger hervorgebracht. Warum hat Trump so überraschend deutlich gewonnen?
Weil die Umfragen offensichtlich deutlich daneben lagen. Vielleicht sollte man künftig auch einmal auf die Wettquoten schauen: Dort lag Trump komfortabel bei rund 60 Prozent Gewinnchancen.
Trump gewann 312 Wahlmänner, Harris nur 226. Trump hat alle 7 Swingstates für sich entschieden und mit 76 Millionen Stimmen auch das „popular vote“ hinter sich. Was signalisiert dieser deutliche Wahlsieg?
Neben den wirtschaftlichen Bedenken, die die Amerikaner hatten, der Angst vor Inflation und steigenden Preisen, war es sicherlich, wie es die Journalistin Maureen Dowd der New York Times formulierte, ein gesellschaftlicher Überdruss am „woken“ Diskurs, mit dem die Demokraten assoziiert werden. Damit meine ich die seit Jahren immer problematischere Verknotung aus übertriebener politischer Korrektheit, auf die Spitze getriebener Identitätspolitik, exzessiver Cancelei, und der Tyrannei des DEI-Gebots an Universitäten und Institutionen.
Erkläre bitte kurz, was Du mit „DEI“ meinst.
Diversity, equity, and inclusion – die Verpflichtung zu Diversität, Gleichheit und Inklusion an Arbeitsplätzen, die in aufwendigen Bewerbungsschreiben und öffentlichen Briefen kundgetan werden muss und die die Fakultäten spaltet, Kollegen gegeneinander aufbringt und eigentlich qualifizierten Akademikern, die im Verfassen solcher Statements schlichtweg nicht versiert sind – einfach, weil sie ideologische Bekennerschriften nicht gut formulieren können, und nicht etwa, weil sie rassistisch sind – um jegliche Aufstiegschancen bringt. Zurück zu den Wahlen: Haben sich die Demokraten je gefragt, ob zum Beispiel die schwarze oder lateinamerikanische Gemeinde Interesse daran hat, in kleinste, verfolgte Untergruppen aufgeteilt zu werden, in Latinx oder Bipocs, oder möchten viele dieser Menschen nicht vielleicht zum großen „e pluribus unum“- Versprechen Amerikas dazugehören? Wahrscheinlich wird es die Identitätspolitik in den kommenden vier Jahren schwer haben. Aber ich würde noch einen Schritt weiter gehen.
Ja, bitte.
Die Abwahl der Demokraten war auch eine nie dagewesene Abrechnung mit der Scheinheiligkeit – für große, amerikanische Autoren wie Philip Roth oder Nathaniel Hawthorne die amerikanischste aller Eigenschaften und die destruktivste. Trump ist vieles, aber kein Heuchler. Hingegen sind die progressiven Flügel der Demokraten Meister der Heuchelei, ich denke an die wohlhabenden Schichten Manhattans, die einerseits den #blacklivesmatter-Hashtags posten, sich aber ohne mit der Wimper zu zucken von ebendiesen taumelnd müden Menschen Essen liefern lassen, ohne sich auch nur einmal entrüstet zu fragen, was diese Person verdient. Ich habe es schon zwei Mal erlebt, dass Lieferanten auf E-Fahrrädern angefahren und liegen gelassen wurden, niemand schaute. Die, die bei #Metoo an vorderster Front mit dabei sind, waren in jüngster Vergangenheit nicht fähig, die schlimmste Form von Massenvergewaltigung – die der Hamas vom 7. Oktober – zu verurteilen. Als Trump den Beschluss über die Covid-Maßnahmen 2020 den US-Bundesstaaten überließ, war es völlig OK – dass der Supreme Court 2022 den Beschluss über die Abtreibungsgesetze an die US-Bundesstaaten delegierte, war dann Trumps Verantwortung. Nun ist es so, als hätten die Amerikaner zum ersten Mal so etwas wie Eigenkritik entwickelt, die unamerikanische aller Eigenschaften.
Trump hat dreimal kandidiert und nur einmal verloren (gegen Biden). Was haben Clinton und Harris falsch gemacht?
Die Leute mochten Hillary Clinton nicht, auch viele in der eigenen Partei. Zu karrieristisch, zu elitär, zu unehrlich. Viele haben in ihr die Vertreterin eines korrupten Systems gesehen – big money und big government –, das sich nicht wirklich um die Anliegen der normalen Bevölkerung schert. Und da war damals Bernie Sanders: links, empathisch, klug. Er hat die Parteibasis, die Jungen begeistert mit klassisch linken Positionen. Er verkörperte das Anti-Establishment von links. Die demokratische Partei-Elite hat Sanders mit allen Mitteln als Kandidaten verhindert. Am Ende blieb mit Trump jener Gegenspieler von Clinton übrig, der auch das Anti-Establishment verkörperte, allerdings von rechts, der nicht auf die normalen Leute herabschaut und bei dem sich „the hard working people“ offensichtlich besser aufgehoben fühlten, als bei Clinton und dann bei Harris.
Was für Fehler hat Harris‘ Kampagne konkret gemacht?
Sie stellte dem bösen, alten Trump-Mann „Joy“, also Freude, gegenüber. Das war das Schlagwort der demokratischen Kampagne. Nach ihrer Nominierung frohlockten die Medien: “Kamala Harris is showing that joy can be a strategy”. Auf die Dauer hatte das zu wenig Substanz, vor allem, weil gleichzeitig das Recht auf Abtreibung zu ihrem Hauptthema wurde. Abtreibung und Freude? Das passte nicht zusammen. Trump dann als Faschisten zu bezeichnen, war auch nicht sehr joyful.
Was hat die Trump-Kampagne besser gemacht?
Harris vermied nicht kontrollierbare, un-gescriptete Auftritte. Trump plauderte drauflos, ging zu McDonalds, in einen Barber Shop in der Bronx, zu den Podcasts von Theo von Flagrant und zuletzt zu Joe Rogan, der erfolgreichste Podcaster der Welt. Allein auf YouTube hat das Gespräch über 50 Mio. Zugriffe. CNN kommt in der Prime Time auf rund 1 Millionen Zuschauer. Mit Elon Musk, Tulsi Gabbard oder Robert F. Kennedy Jr. – auf die wir gleich noch zu sprechen kommen – hatte Trump Unterstützer mit klarem Bezug zur Politik oder politischen Themen (bei Musk die Meinungsfreiheit). Unterhaltungsgrößen wie Taylor Swift oder George Clooney, mit denen Harris sich auf Bühnen traf, waren offensichtlich nicht sehr wirksam für Wahlentscheidungen.
Die Dämonisierung Trumps funktionierte 2024 nicht mehr.
Oder wie es der Stand-up Comedian Tim Dillon ausdrückte: Die Linken würden ihn für einen zweiten Hitler halten, die Rechten als von Gott auserwählt. Die Realität sei: „Er ist ein Trickbetrüger. Er ist der erfolgreichste Trickbetrüger aller Zeiten.“ Trickbetrüger sind natürlich immer auch geborene Verführer und gute Entertainer, und das in einem Land, das das Entertainment erfunden hat und liebt.
Biden hat diesen „Trickbetrüger“, wie Du ihn nennst, 2020 deutlich geschlagen. Wie ist das gelungen?
Biden war offensichtlich der richtige Kandidat zum richtigen Zeitpunkt: Weiß, männlich, im fortgeschrittenen Alter, aber verlässlich, schon lange im politischen Business, bekannt als Vize-Präsident unter Obama. Die Wahl fand mitten in der Pandemie statt, die Wirtschaft brach dramatisch ein und in den USA heißt das, du hast von heute auf morgen keinen Job mehr und kaum eine soziale Absicherung. Der Wahlkampf war insgesamt eingeschränkt, die MAGA-Bewegung, die Trump-Tour durchs Land kam nicht in Fahrt, konnte nicht in Fahrt kommen. Dazu kamen auch die damaligen Chaos-Personalien, seine unkontrollierten Twitter-Attacken. Ich denke, die Amerikaner waren müde gewesen von diesem unendlichen Trump-Irrsinn – es war zu viel, zusammen mit der Pandemie.
Die Republikaner stellen nun also den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Sie haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat bekommen. Außerdem gibt es noch eine den Republikanern geneigte Mehrheit im Supreme Court. Ganz schön viel Gestaltungsmacht.
Ja. MAGA verfügt über politisches Kapital, das, wie George W. Bush es nach seinem Wahlsieg 2004 formulierte, nun mit vollen Händen ausgegeben werden kann.
Nun stellt Trump sein Kabinett zusammen, jeden Tag berichten die Zeitungen weltweit.
Statt der feinen Elben im Elfenbeinturm, kommen nun die klobigen Hobbits mit ihren Barbecues und Pickups und machen alles kaputt – so wird es auf progressiver Seite empfunden.
In den ersten 72 Stunden nach seinem Wahlsieg hatte Trump bereits wesentliche Kabinettsposten vergeben. Und es geht weiter.
Ja, das allvierjährliche Lachsrauschfest der Jobsuchenden in DC. Donald Trump ist mit Elon Musk, seinem Sohn Donald Trump Jr. und seiner Wahlkampfleiterin Susie Wiles in Mar-al-Lago und wählt mögliches Personal auf Grundlage von Listen, die sein Übergangsteam unter Leitung des Investment Bankers, Milliardärs und China-Kritiker Howard Lutnick – der nun Handelsminister wird – erstellt hat. Videos potentieller Kabinettsmitglieder werden an die Wand geworfen, neben allem anderen wird auch ihre Kameratauglichkeit geprüft, die, die in die engere Wahl kommen, werden nach Mar-al-Lago zum Interview geladen. Aber das nur als Anekdote.
Ein Eindruck von Trumps Personalliste?
Ein mögliches Kabinett, das, in den Worten der Nachrichtenwebsite Axios vom 7. November, mit Loyalisten besetzt wird – Leute, die auch in Trumps dunkelsten Stunden an ihn glaubten, darunter Milliardäre, ehemalige CEOs, Tech-Executives, selbst seinen Strafverteidigern hat er Posten zugesichert. Manche der Ausgewählten haben geringe oder keine politische Erfahrung, alle aber glauben an MAGA und sind willens, Veränderungen so schnell als möglich und so brachial als möglich durchzusetzen, um einerseits Wahlversprechen einzulösen, außerdem eine neue Form der Macht zu demonstrieren, auf die wir sicher gleich noch zu sprechen kommen. Außerdem helfen einflussreiche Persönlichkeiten aus dem Tech, David Sachs und Marc Andreessen bei der Wahl des Kabinetts und des sonstigen Personals, vielleicht auch, um aus Eigeninteresse Einfluss auf die Erweiterung der Felder Kryptowährungen und KI zu nehmen.
Ein zweiter Eindruck?
Der ehemalige Florida-Abgeordnete Matt Gaetz, Trumps Wunsch-Justizminister und möglicher Racheengel an den Richtern und Staatsanwälten, die Trump seiner Ansicht nach Unrecht taten, sollte die „parteiische Nutzung des Justizwesens beenden“, war aber wegen eines Sexskandals mit einem 17-Jährigen Mädchen ganz kalkuliert der unmögliche Kandidat, der alle anderen von Trumps Liste im Senat durchbringen sollte, weil diese neben ihm mild wirken. Gaetz selbst ist nun zurückgetreten, nun soll Trumps ehemalige Strafverteidigerin Pam Bondi Justizministerin werden.
Da Du es ansprichst: Die von Trump und seinem Team gewählten Kandidaten müssen noch vom Senat bestätigt werden; dort haben die Republikaner mit 53 Sitzen eine knappe Mehrheit.
Ja, diese haben aber die Senator John Thune aus South Dakota zum Mehrheitsführer gewählt (als Nachfolger des derzeitigen Minderheitenführers Mitch McConnell aus Kentucky) und nicht Trumps Wunschkandidaten, Senator Rick Scott aus Florida. Thune gehört zum gemäßigten Flügel des republikanischen Establishments. Dass die Wahl des Mehrheitsführers anonym stattfindet, hat diesen Sieg sicherlich begünstigt, weil die Senatoren ohne Angst vor Trumps Wut anstimmen konnten. Insgesamt ist die Skepsis gegenüber Trumps Personalliste unter den Republikanern nicht unerheblich, die Senatoren können aber nicht alle ablehnen.
Wer ist denn noch umstritten?
Tulsi Gabbard, die ehemalige demokratische Abgeordnete des US-Bundesstaates Hawaii, soll Geheimdienstchefin werden. Der ehemalige Abgeordnete Joe Walsh aus Illinois schrieb auf Social Media, Donald Trump habe jemanden für die Aufsicht über die US-Geheimdienste ausgewählt, der selbst keine Sicherheitsüberprüfung bestehen würde. Gabbard lehnt die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland ab und äußerte Verständnis für Putin. 2017 besuchte sie den syrischen Präsident Baschar al-Assad und erklärte diesen zum Freund der USA. Manche befürchten, dass ihre Ernennung zur Geheimdienstchefin den Austritt der USA aus der seit 1946 bestehenden Geheimdienstallianz Five Eyes, an der auch Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland beteiligt sind, zur Folge haben wird.
Angeblich verzichten die Republikaner für ihre Kandidaten auf die vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfung durch das FBI.
So scheint es.
Was ist mit Pete Hegseth?
Auch einer der umstritteneren, da unerfahrenen Kandidaten mit extremen Positionen; auch er scheint in einen Sexskandal verwickelt. Hegseth soll Verteidigungsminister werden, Leiter des größten und mächtigsten Militärs der Welt, mit – so der Nationale Sicherheitsexperte und Professor Emeritus der Marineschule Tom Nichols – 1,3 Millionen aktiven Soldaten, ca. 440.000 in der Nationalgarde, knapp 200.000 Reservisten, über 700.000 angestellten Zivilisten, und mit einem Haushalt von 800 Milliarden Dollar. Hegseth hätte außerdem Zugang zu sämtlichen nuklearen Befehls- und Kontrollverfahren. Nicht nur ein großer Teil des permanenten Beamtenstabs des Pentagon ist über diesen Vorschlag baff. Hegseth ist Kriegsveteran, war im Irak und Afghanistan im Einsatz, ist Moderator der Wochenendausgabe der Fox News Sendung „Fox & Friends“, die Trump gerne schaut. 2015 verletzte Hegseth in seiner Sendung einen Mann mit einer Axt; 2019 sagte er, dass er nicht an Bakterien und glaube, sich seit zehn Jahren die Hände nicht mehr gewaschen habe, seitdem ist er einigermaßen bekannt. Frauen im Militär, Gleichstellungs- und Inklusionsmaßnahmen steht er skeptisch gegenüber.
Was sind Kristi Noem und Robert F. Kennedy Junior für Typen?
Kristi Noem, Gouverneurin aus South Dakota, soll Heimatschutzministerin werden. Eigentlich wurde sie als Vizepräsidentin gehandelt, gab aber öffentlich damit an, ihren Hund erschossen zu haben, weil dieser Jagdhund-untauglich sei. Auf einer Rede vor der National Rifle Association in Indiana im April sagte Noem, ihre knapp 2-Jahre alte Enkelin besitze bereits eine Shotgun und ein Gewehr. Robert F. Kennedy Junior, kurz RFK, ist der Sohn von Bobby Kennedy und der Neffe von JFK. Früher sagte Trump, RFK sei der dümmste der Kennedys, heute möchte er ihn zum Gesundheitsminister machen. In den USA wurde er 2021 zum Höhepunkt der Covid-Pandemie mit dem Buch „The Real Anthony Fauci: Bill Gates, Big Pharma, and the Golobal War on Democracy and Public Health“ berühmt. RFK ist ehemaliger Demokrat, erfolgreicher Umweltrechtler mit Schwerpunkt Trinkwasserverschmutzung, und Impfskeptiker. Er sagte von der Covid-Impfung, sie sei die tödlichste der Welt. Er sieht einen Zusammenhang zwischen Kinderimpfungen und Autismus. Als Minister möchte er sich weniger Infektionskrankheiten widmen, sondern chronische Krankheiten bekämpfen, wie Fettleibigkeit oder Diabetes und die Lebensmittelindustrie reformieren, schädliche Zusatzstoffe, Pestizide, bestimmte pharmazeutische Präparate verbieten, die übrigens in der EU längst verboten sind oder nie erlaubt waren.
Dann noch Elon Musk, der reichste Mann der Welt, gebürtiger Südafrikaner, Erfinder des Tesla, Befürworter radikaler Meinungsfreiheit, Leiter der privaten Raumstation SpaceX, Besitzer der Plattform X (ehemals Twitter).
Trumps „Schattenvizepräsident“, wie es der britische Guardian formulierte, und mit über 132 Millionen Dollar Großfinanzier des republikanischen Wahlkampfs. CNN berichtet, dass Musk in Mar-al-Lago stete Präsenz ist, mit Staatsoberhäuptern telefoniert, mitentscheidet, mitwaltet, sich auf dem Golfplatz tummelt. Der reichte Mann der Welt und der mächtigste Mann der Welt, eine interessante Freundschaft. Zusammen mit dem ehemaligen Pharma-Entrepreneur Vivek Ramaswamy soll Musk das Department of Government Efficiency leiten, eine Abteilung für effizientes Regieren, für das Musk vor ein paar Tagen auf Social Media die erste Stellenanzeige postete, man suche „super high-IQ small-government revolutionaries willing to work 80+ hours per week on unglamorous cost-cutting. If that’s you, DM this account…. Elon & Vivek will review the top 1% of applicants.”
Hat denn der Präsident die Befugnis, ein neues Ministerium zu gründen?
Eigentlich nicht.
Das Department of Government Efficiency wird jetzt schon verkürzt DOGE genannt, nach Musks Liebster Kryptowährung.
Ich denke auch an den alten venezianischen Begriff „doge“, etymologisch zurückzuführen auf das lateinische dux, oder auch das italienische duce, was „Führer“ bedeutet – aber Scherz beiseite. Musk und Ramaswamy planen den radikalen Abbau der Regierungsbürokratie, die Streichung überflüssiger Vorschriften und überflüssiger Ausgaben, der Haushalt soll mindestens 2 Trillionen einsparen, der Weg dahin werde hart, sagte Musk. Vorbild ist das Vorgehen Andrei Mileis in Argentinien, das erste Staatsoberhaupt, das Trump nach dem Wahlsieg besuchte. Auf Social Media schrieb Ramaswamy, er und Musk würden eine “reasonable formula to fix the U.S. government: Milei-style cuts, on steroids” finden.
Was erwartet die Welt nun von den USA?
Es herrscht die übliche allgemeine Hysterie. Man befürchtet, mit Trump würde der Rechtsstaat zur faschistoid-extremistischen Rachemaschine in Kulturkrieg gegen wehrlose Minderheiten und brüchige Identitäten. Man sieht den Austausch der alten USA mit einem neuen, dystopischen Amerika dräuen.
Ist die Furcht berechtigt? Kann Trump den Rechtsstaat ersetzen, austauschen, derartig reformieren, dass er nicht mehr wiederzuerkennen ist?
Thomas Carlyle, den ich in unserm letzten Gespräch ja schon erwähnte, beschrieb den funktionierenden Staat als edles Zuchtpferd alter Lineage, das auch mit einem schlechten Reiter obenauf auf den Wegen bleibt und nicht über Zäune springt, um wild davon zu galoppieren.
Aber Carlyle schreibt auch, dass dieses Pferd in ein Gewitter geraten und panisch vom Weg abkommen kann.
Richtig, dann wäre Trump der sich oben festklammernde Reiter. Übertragen auf das, was Amerika unter dieser neuen Regierung vielleicht erwartet, würde Carlyle meinen: Ämter und Amtsinhaber „cannot well be expected to beb e the best that human ingenuity could devise; the wonder rather is to see them so good as they are“. Kann RFK an der Pharmalobby und der Lebensmittelindustrie, an Merck, Nestle, oder Danone, vorbei entscheiden, wer was wie isst, anbaut und produziert, oder wird er sich ernüchtert damit begnügen müssen, Fluorid im Trinkwasser zu verbieten und das wird dann der große Erfolg, das eingelöste Versprechen? Könnte Elon Musk SpaceX an die Stelle der NASA setzen, wenn er es wollte, oder kann er, Verfechter erneuerbarer Energien, den Weg für das E-Auto frei machen, wenn sein eigener Präsident „drill, baby, drill“ ruft und den Menschen billiges Benzin verspricht, indem er die Produktion fossiler Energien erhöht?
Wenn ja …
… dann könnte er im Stile eines CEO auch die Bürokratie eines Rechtsstaates abbauen; Trump könnte mit Hilfe seines Kabinetts den Rechtsstaat „reparieren“, aber ich habe meine Zweifel, dass krasse Versprechen wie Abschaffung aller Klimaschutzmaßnahmen, millionenfache Massendeportationen, radikale Verschlankung des Beamtenapparates wirtschaftlich umzusetzen sind. Unlängst bat Darren Woods, Vorstandsvorsitzender von ExxonMobil, Donald Trump, Bidens Klimaschutzmaßnahmen nicht zu ändern, da fehlende Konsequenz in Fragen der Klimapolitik schlecht für die Wirtschaft sei. Er sagte: „Ich glaube nicht, dass die Herausforderung oder die Notwendigkeit, die globalen Emissionen anzugehen, verschwinden wird. Alles, was kurzfristig passiert, würde die längerfristige Herausforderung nur noch größer machen.“ Ich glaube nicht, dass MAGA den im Inflation Reduction Act enthaltenen Initiativen für erneuerbare Energien abschaffen wird, weil diese gerade in republikanisch dominierten Staaten in den letzten Jahren reichlich neue Arbeitsplätze geschaffen haben.
Was ist mit den von Trump diese Woche noch einmal bekräftigten Massendeportationen?
Der American Immigration Council schätzt, dass die geplanten Massendeportationen zirka 88 Milliarden Dollar pro Jahr kosten würden, gleichzeitig aber zahlen laut dem Nachrichtensender Bloomberg illegale Migranten in den USA etwa 100 Milliarden Steuern pro Jahr. Dass Trump und sein Kabinett gleich olympischen Gottheiten nahen, um den Rechtsstaat zu „fixen“ ist in vielen Teilen eine Fantasie. Trump und seine Minister werden in bestimmten Momenten nichts anderes tun können, als diese Fantasie immer wieder zu beschwören. Denn am Ende gilt auch hier: it’s the economy stupid, man könnte auch sagen it’s the money, stupid.