Demokratie fördern, Freiheit verteidigen
Eine starke Demokratie braucht lebendigen Pluralismus und offenen Diskurs – das erklärte Martin Hagen im Rahmen einer Enquete des österreichischen Bundesrates. Der R21-Geschäftsführer warnte in seinem Vortrag vor einer staatlichen Einflussnahme auf die politische Willensbildung.
Auf Einladung von Bundesratspräsident Franz Ebner sprach Hagen im österreichischen Parlament bei der Enquete „Demokratie braucht Zukunft – Brücken bauen, Demokratie stärken“. Die Sorge um das demokratische Miteinander sei berechtigt, so der Geschäftsführer der Denkfabrik R21. Er warnte jedoch davor, dem durch staatliche Indoktrinierung oder Einschränkungen der Freiheit zu begegnen.
Zweifellos sei die Demokratie neben funktionierenden Strukturen und Institutionen auch auf „immaterielle Grundlagen“ angewiesen: Eine demokratische Kultur, ein allgemeines Verständnis für den Wert der Demokratie und aufgeklärte, mündige Bürger. Daher sei politische Bildung wichtig. Diese müsse – wie es in Deutschland der so genannte „Beutelsbacher Konsens“ vorsieht – so ausgestaltet sein, dass den Schülern keine politische Meinung aufgezwängt wird, erklärte Hagen. Das Ziel ist vielmehr, sie die Lage zu versetzen, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Wer Demokratie fördern wolle, müsse das unabhängige Denken und das individuelle Urteilsvermögen der Bürger stärken, so Hagen. Von Ansätzen wie dem (vorerst gescheiterten) deutschen Demokratiefördergesetz riet er den österreichischen Politikern ab: „Wenn die Bürger das Gefühl bekommen, die Regierung versuche sie zu belehren und zu erziehen, und das auch noch mit dem von ihnen selbst erwirtschafteten Steuergeld, führt das eher zu Reaktanz und Politikverdrossenheit als zu einer Stärkung der Demokratie.“
Martin Hagens Kritik: Vielen der Nichtregierungsorganisationen, die durch das Demokratiefördergesetz finanziert werden sollten, gehe es um die Durchsetzung einer bestimmten Gesinnung und der Etablierung bestimmter politischer Sichtweisen. In der Demokratie habe die Willensbildung aber „von unten nach oben“ zu verlaufen, nicht umgekehrt. Einige der NGOs zielten sogar eher auf eine Verengung denn auf eine Förderung des demokratischen Diskurses ab, „weil sich ihre Arbeit nicht nur gegen verfassungsfeindliche Extremismen richtet, sondern auch gegen legitime politische Positionen“, so Hagen. Die Ausgrenzung anderer Meinungen stelle aber selbst eine Gefahr für die Demokratie dar.
Um die Demokratie zu schützen, wurde zuletzt der Ruf nach einer stärkeren Kontrolle des Internets laut. Aktuell ist eine Debatte über „Trusted Flagger“ entbrannt – Organisationen, die nach dem „Digital Services Act“ der EU als Hinweisgeber dabei helfen sollen, Soziale Netzwerke von rechtswidrigen Inhalten zu säubern. „Die Frage ist, ob am Ende wirklich nur strafbare Äußerungen wie Beleidigung oder Volksverhetzung entfernt werden, oder auch zulässige Meinungsäußerungen“, gab der Geschäftsführer der Denkfabrik R21 zu bedenken.
Die für die Zertifizierung der Hinweisgeber zuständige Bundesnetzagentur hatte dahingehend Zweifel geweckt, indem sie von der Bekämpfung von „Hass“ und „Fake News“ gesprochen hatte. „Diese schwammigen und höchst subjektiven Begriffe beschreiben Äußerungen, die wir als ungebührend, unangenehm, irreführend oder falsch erachten mögen, die aber deshalb noch lange nicht illegal sind“, kritisierte Hagen. Die Auswahl der „Trusted Flagger“ sei hochpolitisch, da diesen eine bedenklich große Macht auf den öffentlichen Diskurs zukomme.
Martin Hagen schloss mit einem Appell an die österreichischen Abgeordneten: „Eine starke Demokratie braucht lebendigen Pluralismus, kein betreutes Denken. Sie braucht offenen Diskurs, keine Zensur. Demokratische Willensbildung ist ein Bottom-up- und kein Top-down-Prozess. Wir sollten die Bürger zu Neugier und kritischem Denken ermuntern, nicht zu Konformismus. Die Grenzen des Sagbaren setzt das Strafrecht, nicht der Zeitgeist oder politische Aktivisten. Wir sollten Extremisten und Demokratiefeinde aller Couleur entschlossen bekämpfen – aber nicht diejenigen, die einfach nur eine andere Meinung vertreten als wir selber. Der vermeintliche Schutz der Demokratie darf nicht als Vorwand dienen, um Freiheiten einzuschränken.“