Leitlinien einer neuen Klimapolitik
Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands in der Ukraine erfordert nicht nur neue Antworten in der Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik des Westens. Er stellt auch eine gravierende globale Bedrohung dar, weil er elementare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bekämpfung des Klimawandels untergräbt.
Kurzfristig steht angesichts des Krieges die Reduzierung der Abhängigkeit Europas von fossilen Energieträgern aus Russland im Vordergrund. Dabei sollten keine Optionen aus ideologischen Gründen verworfen werden. Republik 21 spricht sich daher dafür aus, die noch am Netz befindlichen Atommeiler so lange nicht abzuschalten, wie die akute Krise nicht bewältigt ist. Darüber hinaus halten wir es aber auch für dringend geboten, eine ehrliche und offene Debatte über die Frage zu führen, wie die Klimaziele, die sich die Welt seit Paris und in Glasgow gegeben hat, tatsächlich erreicht werden können. Denn wir sind der Überzeugung, dass die von der derzeitigen Bundesregierung und ihren Vorgängerregierungen betriebene Klimapolitik keine langfristig tragfähige Antwort auf die Herausforderung der globalen Erwärmung gibt.
Deutschland setzt zwar in erheblichem Umfang Ressourcen für den Klimaschutz ein. Dies geschieht jedoch in einer Weise, mit der das Potential an möglichen Treibhausgasminderungen nur zu einem geringen Teil ausgeschöpft wird. Aber Klimapolitik muss nicht nur effektiv sein, sie muss auch die mit dem Klimaschutz verbundenen Belastungen minimieren. Das erfordert einen kosteneffizienten Ressourceneinsatz, und dieser kann am ehesten mit marktwirtschaftlichen Instrumenten erreicht werden, die aber in der deutschen und der europäischen Klimapolitik bisher nur nachrangige Bedeutung haben. Damit nimmt die Politik in Kauf, dass weniger Klimaschutz entsteht, als es möglich wäre, und gleichzeitig die Lasten und Einschränkungen für die Menschen größer sind, als sie es sein müssten.
Schließlich muss eine effektive Klimapolitik darauf hinwirken, tatsächlich globale Wirksamkeit zu entfalten. Statt Klimapolitik vorrangig als nationale Aufgabe zu begreifen, ist eine intelligente Kooperation mit anderen Ländern die zwingende Voraussetzung dafür, dass die Weltgemeinschaft die angestrebten Klimaziele überhaupt erreichen kann. Erst indem Deutschland sich dafür einsetzt, dass Ressourcen und technische Fähigkeiten im globalen Maßstab optimal verwendet werden, werden wir unserer Verantwortung gerecht.
Die Kritik an der gegenwärtigen sowie Leitlinien einer neuen, wirksameren Klimapolitik formuliert Prof. Joachim Weimann in einem ausführlichen Essay für R21, den wir hiermit publizieren. Gleichzeitig arbeitet R21 an einer Klimaagenda, die den Übergang zu einer Klimapolitik skizziert, die eine rationale Antwort auf die Herausforderung der Erderwärmung gibt.
Prof. Dr. Joachim Weimann
Ausgangspunkt: Mit dem Mainstream in die falsche Richtung
Die bürgerlichen Parteien haben sich in den letzten 20 Jahren nicht die Mühe gemacht, eine eigene klimapolitische Strategie zu entwerfen. Zu groß schien der Kompetenzvorsprung der Grünen auf diesem Gebiet, die gewissermaßen per se die alleinige Zuständigkeit für dieses Thema reklamiert haben und immer noch reklamieren. Die Reaktion der bürgerlichen Parteien bestand in der Regel in einer Anpassung an die Standards der Grünen oder in dem Versuch, grüner als die Grünen sein zu wollen. Im Ergebnis entstand ein klimapolitischer Mainstream in Deutschland, der – abgesehen von leichten Schattierungen – in allen Parteien gleichermaßen vertreten wird und dadurch zu dem Eindruck beiträgt, als gäbe es zu ihm keine Alternative. Dieser Eindruck dominiert die öffentliche Debatte, und das ist fatal, denn es verhindert eine offene und konstruktive Diskussion über die richtige Klimapolitik. Dabei ist der klimapolitische Mainstream weit davon entfernt, eine vernünftige Antwort auf die Herausforderung des Klimawandels zu liefern. Im Gegenteil, der Mainstream erweist sich tatsächlich als ein klimapolitisches Desaster, das zahlreiche Chancen und Möglichkeiten einer erfolgreichen Klimapolitik ungenutzt lässt und uns so eher von dem Ziel, das globale Klima zu stabilisieren, wegführt, statt uns ihm näher zu bringen. Die Eckpfeiler der Mainstream-Klimapolitik sind die folgenden Punkte:
1. Das Primat der nationalen Klimapolitik
Klimapolitik wird in Deutschland als eine nationale Aufgabe verstanden. Ungeachtet der Tatsache, dass es um ein globales Problem geht, wird das primäre Ziel darin gesehen, Deutschland klimaneutral zu machen – je schneller, je besser. Das hat zur Folge, dass alle internationalen Aspekte des Problems weitestgehend ausgeklammert werden. Zwei Punkte seien exemplarisch dafür genannt. Erstens wird als selbstverständlich angesehen, dass Mittel, die für den Klimaschutz eingesetzt werden, auf deutschem Territorium verwendet werden müssen. Die Möglichkeit, dass ein Einsatz der Mittel an anderer Stelle zu erheblich höheren Einsparungen von CO2 führen kann, wird nicht erwogen. Dabei ist offensichtlich, dass die Bedingungen für CO2-Einsparungen zwischen den Ländern erheblich variieren und es eigentlich darauf ankommen müsste, diese Unterschiede klug zu nutzen, anstatt sie zu ignorieren. Beispielsweise hat die Errichtung von Solaranlagen in einem sonnenarmen Land einen viel geringeren Effekt, als die Finanzierung von Solarenergie in südlichen Ländern. Aktuell sind in Deutschland allerdings etwa ein Drittel aller Solaranlagen Europas installiert – bei einem Bevölkerungsanteil von 16 Prozent und nur geringer Sonneneinstrahlung. Zweitens ignorieren wir beharrlich das Zusammenspiel zwischen unseren nationalen Maßnahmen und den internationalen Instrumenten, in die diese eingebettet sind. So führt das Nebeneinander von EEG und dem Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) im Grundsatz dazu, dass unsere nationalen Einsparungen durch Wind und Sonnenenergie im europäischen Kontext wirkungslos bleiben, weil die in Deutschland eingesparten Emissionsrechte dann an anderer Stelle in der EU eingelöst werden. Diese Redundanz nationaler Politik wird nicht zum Anlass genommen, über die Sinnhaftigkeit der gewählten klimapolitischen Instrumente nachzudenken. Der Umgang mit dem EU ETS ist vielmehr dadurch geprägt, die nationale Politik auf Biegen und Brechen weiter zu rechtfertigen. Aber alle in diesem Zusammenhang eingeleiteten Maßnahmen ändern nichts daran, dass jedes nationale Klimaziel mit dem EU ETS kosteneffizient, d.h. bestmöglich erreicht werden kann und eine zusätzliche nationale Regulierung deshalb nicht notwendig, sondern kontraproduktiv ist. Beispielsweise ist es keine rationale Strategie, im Nachgang zu nationalen CO2-Minderungsmaßnahmen (beispielsweise dem Kohleausstieg) die Anzahl der Emissionsrechte entsprechend zu reduzieren. Ein solches Vorgehen verhindert, dass der Emissionshandel dafür sorgen kann, dass die politisch vorgegebene Vermeidungsleistung zu minimalen Kosten erfolgt. Dazu ist es notwendig, die Vermeidungsleistung politisch vorzugeben, aber die Entscheidung darüber, wie, durch wen und wo die Vermeidung durchgeführt wird, dem Markt zu überlassen. Die nationale Klimapolitik Deutschlands stellt das fundamentale Funktionsprinzip des ETS auf den Kopf, indem sie erst planwirtschaftlich festlegt, wie Vermeidung zu betreiben ist (ohne dabei auf Kosten zu achten), und dann ex post die Höchstmenge anpasst. Vordergründig wird dadurch die Redundanz der deutschen Politik beseitigt, tatsächlich aber wird das beste und erfolgreichste Instrument internationaler Klimapolitik außer Kraft gesetzt.
Getrieben wird die strikte Fokussierung auf nationale Politik durch Vorstellungen, die man an anderer Stelle als hochbedenklich einstufen würde. So zum Beispiel die Idee, dass andere Länder nur dann auf die Idee kommen, Klimapolitik zu betreiben, wenn wir ihnen zeigen, wie es geht und mit „gutem“ Beispiel vorangehen. Wenigstens drei Argumente sprechen dagegen, dass dies tatsächlich der Fall ist. Erstens hat die spieltheoretische Analyse internationaler Umweltverhandlungen sehr deutlich gezeigt, dass Länder, die im Eigeninteresse handeln und sich dabei rational verhalten, auf die Vorreiterrolle eines anderen Landes mit einer Reduktion der eigenen Anstrengungen reagieren werden. Zweitens wurden diese Ergebnisse auch experimentell bestätigt und drittens gibt es auch empirisch keinen Nachweis, dass das gute Beispiel Deutschlands eine positive Wirkung hatte. Auch mehr als 20 Jahre nach Einführung des EEG ist Deutschland noch immer das europäische Land mit den meisten Solaranlagen.
2. Die Kosten und Lasten, die mit Klimapolitik verbunden sind, spielen keine Rolle.
Nahezu alle Entscheidungen, die Menschen treffen, seien es individuelle oder kollektive Entscheidungen, haben zwei Folgen. Sie verschaffen dem Entscheider Vorteile und sie verursachen Kosten. Rationale Entscheidungen werden so getroffen, dass sie dem ökonomischen Prinzip folgen: Wähle die Alternative, bei der du dein Ziel mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz erreichst, bzw. setze deine Mittel so ein, dass der Zielerreichungsgrad maximal wird. Um zu einer wenigstens halbwegs rationalen Entscheidung zu kommen, müssen in jedem Fall beide Seiten – die Vorteile und die Kosten – in den Blick genommen werden. Die deutsche Klimapolitik verzichtet darauf vollständig, indem sie die Kosten der CO2-Vermeidung komplett ausblendet. Im Gegenteil, die Regelungen des EEG sehen vor, dass dort, wo die Kosten der CO2-Vermeidung besonders hoch sind, besonders stark gefördert wird, damit Vermeidung dort trotz der hohen Kosten stattfindet. Der Begriff „Kosten“ oder gar „Kosteneffizienz“ kommt im Klimaschutzgesetz genau einmal vor – in der Einleitung, danach nie wieder. Das hat zur Folge, dass die Lasten, die den Menschen in Deutschland durch die Klimapolitik auferlegt werden und die damit einhergehenden Freiheitseinschränkungen und Wohlfahrtsverluste viel höher ausfallen, als sie müssten. Noch sind diese Lasten vor allem für die zu spüren, die am Ende der Einkommensskala sind, aber schon bald werden sie breite Bevölkerungskreise erreichen. Klimapolitik mit der Brechstange kostet sehr viel und das werden die Bürger und Bürgerinnen in Deutschland zu spüren bekommen.
3. Energiewende: Fixierung auf den Ausbau der erneuerbaren Energien
Die Energiewende, die Bundeskanzlerin Merkel ausgerufen hat, kennt nur ein einziges Instrument: Den mit dem EEG finanzierten bedingungslosen Ausbau der erneuerbaren Energien. Bisher sind bereits 220 Mrd. Euro an Zusatzkosten für die Erneuerbaren aufgebracht worden. Weitere 400 Mrd. werden folgen. Die Art und Weise, wie der Anteil von Wind- und Solarenergie an der Stromerzeugung gesteigert wird, ist im Kern planwirtschaftlich. Es gibt weder eine technologieoffene Förderung CO2-armer Energieerzeugung, noch spielen Kosten eine Rolle, noch kommen marktwirtschaftliche Instrumente zum Einsatz. Vielmehr wird mit dem Primat des nationalen Ausbaus der erneuerbaren Energien die Einschränkung wesentlicher Rechte von Bürgern, Bürgerinnen und Gemeinden begründet. Insbesondere der Ausbau der Onshore Windenergie macht weder vor dem Natur- und Landschafts- noch dem Artenschutz halt. Im Namen des Klimaschutzes wird Natur großflächig zerstört.
4. Planwirtschaftliche Verkehrswende
Eine rationale Politik würde dort CO2 sparen, wo die Kosten der nächsten eingesparten Tonne am niedrigsten sind, denn nur dann bekommen wir für die Ressourcen, die wir einsetzen, den maximalen Klimaschutz. Die deutsche Klimapolitik geht dagegen von der Überzeugung aus, dass überall CO2 eingespart werden muss. Also auch im Verkehrssektor. Und da die Bepreisung von CO2-Emissionen, die es dort schon lange gibt, nicht zu den politisch gewünschten Ergebnissen führt (obwohl die Emissionen trotz massiven Anstiegs des Verkehrsvolumens konstant gehalten werden konnten), greift man zu anderen Mitteln. Das beginnt mit der Vorgabe von Flottenverbräuchen für die Automobilindustrie und endet mit gigantischen Subventionen bei der Förderung von E-Autos. Ein E-Auto der Golf-Klasse kostet die deutsche Steuerzahlerin über 20.000 Euro, wenn es 10 Jahre fährt und dabei 200.000 km zurücklegt. Es wäre sehr einfach, den Verkehrssektor kosteneffizient zu regulieren, indem man ihn in den EU ETS integriert, aber das geschieht nicht, weil es noch einen fünften Punkt gibt, der die deutsche Klimapolitik charakterisiert.
5. Keine Macht den Märkten
Seit 2005 gibt es in Europa den EU ETS. Es liegen damit Erfahrungen aus mehr als 15 Jahren vor, die man mit diesem Instrument gesammelt hat. Um zu beurteilen, wie erfolgreich dieses marktwirtschaftliche Instrument gewesen ist, bieten sich zwei Kennzahlen an: Wieviel CO2 konnte eingespart werden und zu welchen Kosten? Es ist hier nicht der Platz, um eine ausführliche Analyse anzustellen, aber es sein darauf verwiesen, dass das Ziel 40 Prozent gegenüber den Emissionen von 1990 einzusparen, das bis 2030 erreicht werden sollte, bereits 2020, also 10 Jahre früher als geplant, erreicht worden ist. Die Kosten, die dabei entstanden sind, lagen zwischen 5 Euro und etwa 60 Euro pro Tonne. Zum Vergleich: Im deutschen Verkehrssektor liegen die Grenzvermeidungskosten im vierstelligen Bereich, bei den erneuerbaren sind sie dreistellig. Der europäische Emissionshandel hat sich als das weltweit erfolgreichste Klimaschutzinstrument erwiesen. Das bedeutet aber keineswegs, dass die deutsche Klimapolitik sich diesem Instrument inhaltlich genähert hat. Bis heute hat die Politik nicht verstanden, dass der Preis, der sich im ETS bildet, nicht bestimmt, wie viel CO2 eingespart wird (das besorgt allein der CAP, also die politisch festgelegte jährliche Emissionshöchstmenge). Einer Integration des Verkehrs- und des Wärmesektors in das EU ETS hat sie eine glatte Absage erteilt; von einem politischen Willen, das europäische System zu erweitern fehlt jede Spur. Stattdessen wird dem einzigen kosteneffizienten Instrument, dass in der Klimapolitik eingesetzt wird, vorgehalten, es sei zu teuer. Gleichzeitig fordert die neue Bundesregierung, dass der Preis für ein Emissionsrecht nicht unter 60 Euro fallen darf. Mit anderen Worten: Die Lasten der Klimapolitik dürfen nicht zu klein werden.
Die falsche Richtung, die der Mainstream eingeschlagen hat und konsequent beibehält, hat Folgen: Mit den enormen Mitteln, die wir aufwenden, könnte ein Vielfaches an Einsparung erreicht werden, würden wir eine rationale Politik betreiben. Selbst die nationalen Erfolge sind äußerst bescheiden. Länder wie Frankreich oder England haben nur halb so hohe pro-Kopf-Emissionen wie Deutschland. Dafür maximieren wir die Lasten für die Bevölkerung. Deutschland hat inzwischen die höchsten Strompreise weltweit. Amerikaner zahlen nicht einmal die Hälfte für die Kilowattstunde, Chinesen weniger als ein Viertel. Die Konsequenzen für die mittelständische Industrie, die nicht von den Ausnahmeregeln für energieintensive Großunternehmen profitiert, sind absehbar. Alle diese Misserfolge werden davon begleitet, dass der Ausbau der Windenergie, der als „alternativlos“ bezeichnet wird, die Lebensräume vieler Menschen nachhaltig zerstört. In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland, in den wenigen noch verbliebenen naturnahen Kulturlandschaften industrielle Anlagen von 260 Meter Höhe zu errichten, ist mehr als problematisch. Das damit zu begründen, dass nur so Klimaschutz gelänge, ist schlicht falsch.
Gegen den Strom in die richtige Richtung
Eine gelingende und vermittelbare neue Klimapolitik muss vor allem klarstellen, welcher Maxime, welchem Ziel, welcher Prämisse sie folgt. Das bedeutet, dass die neue Klimapolitik ein neues Leitmotiv besetzen muss. Das alte Leitmotiv des Mainstreams lautet:
Wir müssen nationale Klimapolitik betreiben und dabei ohne Rücksicht darauf, was es uns kostet überall so viel CO2 einsparen wie möglich und unsere Energie ausschließlich aus erneuerbaren Quellen beziehen.
Dieses Credo hat unter anderem dazu geführt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien längst zum Selbstzweck verkommen ist. Das neue Leitmotiv könnte wie folgt lauten:
Ziel der Klimapolitik muss es sein, die globale Erderwärmung effektiv zu begrenzen und die dabei unvermeidlichen Lasten, Freiheitseinschränkungen und Wohlfahrtsverluste, die Menschen tragen und erleiden müssen, zu minimieren.
Dieses Leitmotiv nimmt beide Seiten des Klimaschutzes in den Blick: Seinen Nutzen und die damit verbundenen Lasten und schafft damit die Voraussetzung dafür, sich den Instrumenten und Strategien zu öffnen, mit deren Hilfe man erfolgreichen Klimaschutz betreiben kann, ohne die Menschen mit massiven Lasten und Freiheitseinschränkungen zu beschweren. Aber natürlich reicht ein Leitmotiv allein nicht aus. Es gilt überzeugend darzulegen, wie das gerade beschriebene Ziel erreicht werden kann. Das gelingt mit einer neuen, rationalen Klimapolitik, die auf drei Eckpfeilern beruht.
A. Kosteneffizienz
Wie lässt sich eine rationale Klimapolitik näher charakterisieren? Klimaschutzmaßnahmen müssen sich an den folgenden drei empirischen Tatsachen orientieren:
- Ziel ist es, möglichst viel CO2
- Die Einsparung von CO2 ist nur möglich, wenn dafür knappe Ressourcen eingesetzt werden.
- Die Menge der für Klimaschutz zur Verfügung stehenden Ressourcen ist endlich.
Wenn wir diese drei Voraussetzungen akzeptieren und uns die Frage stellen, was daraus für eine rationale Klimapolitik folgt, so ist die Antwort eindeutig: Klimapolitik muss so betrieben werden, dass mit den eingesetzten Ressourcen ein Maximum an CO2-Einsparung erreicht werden kann. Das wiederum ist nur möglich, wenn die Einsparung so erfolgt, dass die nächste Tonne dort eingespart wird, wo die Vermeidungskosten (also die Grenzkosten der Vermeidung) am geringsten sind. Das aber ist nichts anderes als die Definition von Kosteneffizienz.
Die Forderung nach Kosteneffizienz ist eine zutiefst ökologische Forderung, denn sie besagt, dass der Klimaschutz zu maximieren ist, gleichgültig, wie viel wir dafür aufwenden, es soll immer die maximal mögliche Klimaschutzwirkung erreicht werden. Zugleich heißt Kosteneffizienz, die Verschwendung von Ressourcen nicht zuzulassen, denn zu dieser kommt es, wenn CO2 nicht kosteneffizient eingespart wird. Die Verschwendung von Ressourcen kann nicht nachhaltig sein. So gesehen ist Kosteneffizienz gleichbedeutend mit der Forderung eine nachhaltige Klimapolitik zu betreiben. Was nebenbei impliziert, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland nicht nachhaltig ist.
B. Das Primat marktwirtschaftlicher Lösungen
Die Forderung nach Kosteneffizienz erzwingt den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente. Ursächlich dafür ist ein zentrales Problem jeder Umweltpolitik. Wenn man beabsichtigt kosteneffizient Klimaschutz zu betreiben, dann muss die Vermeidung so organisiert werden, dass die nächste vermiedene Tonne CO2 an der Quelle eingespart wird, an der die niedrigsten Vermeidungskosten entstehen. Um das zu leisten benötigt man Informationen über die Grenzvermeidungskosten der Quellen. Diese Information ist aber im privaten Besitz der Emittenten. Ein Planer könnte nur an sie gelangen, wenn die Emittenten bereit wären, sie wahrheitsgemäß zu offenbaren. Dazu haben Emittenten jedoch aus strategischen Gründen keinen Anlass und deshalb ist die Information, die man braucht um Kosteneffizienz herzustellen, für einen zentralen Planer nicht zu bekommen. Die Situation ändert sich grundlegend, wenn die Emittenten ein eigenes Interesse daran haben, CO2 zu vermeiden, weil sie für jede nicht vermiedene Tonne einen Preis entrichten müssen. Existiert ein CO2-Preis, dann werden die Emittenten diesen Preis mit ihren Vermeidungskosten vergleichen und solange vermeiden, wie diese Kosten unter dem CO2-Preis liegen. Im Gleichgewicht werden alle Quellen die Vermeidung so wählen, dass die Grenzvermeidungskosten etwa dem Preis entsprechen – und das entspricht der Bedingung für Kosteneffizienz. Solange nämlich die Grenzvermeidungskosten nicht bei allen Quellen identisch sind, lassen sich Kosten einsparen, indem Vermeidung von den Quellen mit hohen Kosten zu solchen mit niedrigeren Kosten verlagert wird. Die dezentrale, durch einen Preis gesteuerte Vermeidungsentscheidung führt damit zu einer kosteneffizienten Lösung, weil sie das Informationsproblem löst.
Um einen Preis zu erzeugen, stehen zwei Instrumente zur Verfügung: Eine Besteuerung von CO2-Emissionen und der Emissionshandel. Bei der Steuer wird der Preis politisch festgelegt und seine Höhe entscheidet, wie stark die Vermeidung der Emittenten ausfällt. Bei einem Emissionshandel legt die Politik die noch zulässige Emissionsmenge auf die Tonne genau fest und vergibt über diese Menge handelbare Emissionsrechte. Der Handel findet statt, um die Vermeidung zu den Quellen zu bringen, bei denen die Vermeidungsgrenzkosten am niedrigsten sind: Quellen mit niedrigen Kosten haben einen Anreiz Vermeidung zu betreiben, um die dann nicht mehr benötigten Rechte an Quellen mit hohen Vermeidungskosten zu verkaufen. Der Preis, der sich auf dem Markt für Emissionsrechte bildet, bestimmt nicht die Vermeidungsmenge (wie bei der Steuer) sondern signalisiert, zu welchen Kosten die politisch vorgegebene Mengenbegrenzung eingehalten werden kann.
C. Internationale Lösungen
Der Ausgleich der Grenzvermeidungskosten, der hinreichend für Kosteneffizienz ist, funktioniert zwischen verschiedenen Emittenten innerhalb eines Landes, und er kann auch zwischen Ländern funktionieren. Eine international einheitliche CO2-Steuer oder ein internationaler Emissionshandel machen es möglich. Eine global erfolgreiche Klimapolitik ist nur vorstellbar, wenn es tatsächlich dazu kommt, dass die Unterschiede zwischen den Ländern klug genutzt werden. Der Emissionshandel bietet dafür exzellente Voraussetzungen, denn er erlaubt es, die Frage, wo Emissionen vermieden werden, von der Frage zu trennen, wer die Vermeidungskosten trägt. Mit dem Emissionshandel könnte die Vermeidung dort erfolgen, wo sie zu minimalen Kosten möglich ist (beispielsweise in südlichen Ländern) und sie könnte zugleich von den reichen Ländern des Nordens bezahlt werden. Möglich wäre das, indem die ärmeren Länder mit niedrigen Vermeidungskosten Emissionsrechte kostenlos erhalten und diese dann, nachdem sie ihre günstigen Vermeidungsbedingungen genutzt haben, gewinnbringend an die reichen nördlichen Länder verkaufen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der EU ETS in mehreren Hinsichten ausgebaut wird. Notwendig ist eine Integration aller Sektoren in den ETS, um den Grenzkostenausgleich auch zwischen den Sektoren zu ermöglichen. Der ETS muss langfristig angelegt sein und Planungssicherheit hinsichtlich der Mengen bieten. Und schließlich müssen mehr Länder dem ETS beitreten. Die EU hat mit ihrem ETS bereits einen herausragenden ersten Schritt geleistet. Mit dem entsprechenden politischen Willen ausgestattet, hätte eine deutsche Bundesregierung durchaus erhebliche Möglichkeiten einen global wirksamen ETS zu schaffen. Deutschland ist das größte und ökonomisch bedeutsamste Land der EU. Es kann seinen Einfluss nutzen, um das ETS zu stärken und zu versuchen, eine strategische Partnerschaft wenigstens mit den USA vielleicht aber auch mit Russland einzugehen. Der Klimaschutz betrifft alle Länder und eignet sich deshalb, um Brücken zu bauen indem man gemeinsam für alle vorteilhafte, weil kosteneffiziente Wege der Klimapolitik ebnet. Eine solche Allianz könnte schließlich auch China beeindrucken, und damit das Land, das mehr als 30 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortet. Auch die Chinesen haben ein vitales Interesse daran, Klimaschutz (um den sie nicht herumkommen werden) kosteneffizient zu betreiben und die Verschwendung von Ressourcen zu vermeiden. Die chinesische Politik ist von Pragmatismus und Zweckmäßigkeit im Hinblick auf die eigenen Interessen gekennzeichnet – eine Konstellation, die es aussichtsreich erscheinen lässt, sie langfristig in ein großes Boot zu holen. Allerdings bedarf es eines sehr ausgeprägten politischen Willens, dieses Projekt voranzubringen. Eine neue Klimapolitik muss diesen Willen aufbringen, denn ohne eine internationale Lösung wird die Erwärmung schwer zu stoppen sein.
Den Beitrag von Joachim Weimann finden Sie hier als pdf zum Download