Shutterstock

Neuer europäischer „Geist der Solidarität“

Werden mit dem Pandemie-Sonderhaushalt der EU wichtige Prinzipien der europäischen Verträge kompromittiert? Ja, ist sich R21-Leiter Andreas Rödder zusammen mit anderen Fachleuten sicher. Es gehe bei dem 750 Milliarden € schweren Fonds vor allem um politische Prioritäten, so die Autoren in der Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Dem EU-Haushalt sei eine Schuldenfinanzierung für reguläre Ausgaben untersagt. Ein wesentlicher Bruch gegenüber dem bisherigen System liege auch darin, dass die Verwendung der neuen Mittel an so gut wie keine Bedingungen geknüpft werde. Eine Konditionierung, wie sie mit Zahlungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verbunden wird, sei nicht vorgesehen.

Pandemie als Vorwand

Der EU-Eigenmittelbeschluss ermöglicht zudem einen wesentlich höheren Verschuldungsspielraum, als es zur Finanzierung des Wiederaufbauprogramms notwendig wäre. So erhärtee sich der Verdacht, dass die Pandemie nur ein Vorwand für weiterreichende Überlegungen ist.

In der Tat betrachtet die EU-Kommission das Programm „NextGenerationEU“ (NGEU) kaum als Mittel, um die unmittelbaren Folgen der Pandemie zu bewältigen, so die Autoren. Bei Genehmigung der Programme der Mitgliedstaaten solle vor allem auf die Beachtung der Ziele des Green Deal, der fortschreitenden Digitalisierung und eines wirtschaftlichen Aufschwungs Wert gelegt werden. Im Rahmen des ihnen belassenen Entscheidungsraums werde es den Mitgliedstaaten leicht möglich sein, ihre eigenen Programme mit diesen Zielen zu verbinden. Sie können ihre NGEU-Mittel für öffentliche Investitionen einsetzen, die ohnehin geplant waren oder nun möglich sind.

Der Behauptung, bei den Sondermitteln NGEU handele sich um eine einmalige, zweckgebundene und vorübergehende Maßnahme, bescheinigen die Autoren angesichts der gegenteiligen Äußerungen von EU-Organen, von nationalen Politikern und wegen der Gesamtarchitektur des Pandemie-Programms keine  Glaubwürdigkeit. Vielmehr gehe es um eine Weichenstellung für die grundlegende Reform der EU-Finanzverfassung. Bei einer gemeinsamen Haftung aber droht eine Schuldenlawine.

Der ganze Artikel in der FAZ >

Author

  • Andreas Rödder

    Andreas Rödder ist Leiter der Denkfabrik R21 und Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Gegenwärtig wirkt er als Helmut Schmidt Distinguished Visiting Professor an der Johns Hopkins University in Washington. Er war Fellow am Historischen Kolleg in München sowie Gastprofessor an der Brandeis University bei Boston, Mass., und an der London School of Economics. Rödder hat sechs Monographien publiziert, darunter „21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart“ (2015) und „Wer hat Angst vor Deutschland? Geschichte eines europäischen Problems“ (2018), sowie die politische Streitschrift „Konservativ 21.0. Eine Agenda für Deutschland“ (2019). Andreas Rödder nimmt als Talkshowgast, Interviewpartner und Autor regelmäßig in nationalen und internationalen Medien zu gesellschaftlichen und politischen Fragen Stellung; er ist Mitglied im Vorstand der Konrad-Adenauer-Stiftung und Präsident der Stresemann-Gesellschaft.

    Alle Beiträge ansehen

Neueste Beiträge

Am meisten gelesen

Tags

Denkfabrik R21 Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden

News

Ähnliche Artikel

Die geplante Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin setzt den Konsens der Mitte außer Kraft, sagt Andreas Rödder. In einem...

Die EU-Kommission und die neue Bundesregierung haben ihre ehrgeizigen Klimaschutzziele bekräftigt: Die EU soll bis 2040 90% weniger Treibhausgase ausstoßen,...

Seit dem Angriff Israels auf die iranischen Atomanlagen und dem kurzzeitigen militärischen Einschreiten der USA an der Seite Israels träumt...

Jan Fleischhauer ist eine der bekanntesten bürgerlichen Stimmen im deutschen Journalismus. In der neuen Folge des R21-Podcasts „Frei heraus“ spricht...

(übersetzte, gekürzte und leicht überarbeitete Version von: Munira Mirza, How the British elite lost its way. Engelsberg Ideas, 27. Juni...

von Russell Berman, Friedrich Breyer, Martin Hagen, Norbert Holtkamp, Peter Michael Huber, Ahmad Mansour, Johannes Marten, Natalie Mekelburger, Harald Mosler,...

Das Gefühl, nicht handlungsfähig zu sein, empfinden Menschen als sehr unangenehm. „Wenn es einem ganzen Staatsvolk so geht, ist das...

„Nur wer den Weg der härtesten Einschränkung geht, handelt verantwortungsvoll“, dies war eine weit verbreitete Haltung während der Corona-Krise in...

Am 22. Mai fand in Berlin die sogenannte „Anschalt-Konferenz“ statt: Die Veranstalter fordern die Reaktivierung der deutschen Atomkraftwerke. 2011 war...