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Foto: Denkfabrik R21

Wenn wir jetzt nicht eingreifen

Die Hamas hat am 7. Oktober 2023 nicht nur ein Massaker an 1.400 israelischen Kindern, Frauen und Männern begangen, sie hat die schutzlosen Menschen auch auf jede nur erdenkliche Art gefoltert, hat Frauen und Mädchen so brutal vergewaltigt, dass ihre Becken gebrochen und ihre inneren Organe zerfetzt wurden. 240 Menschen wurden nach Gaza entführt, darunter ein 9-Monate altes Baby. Das Ziel der von der Hamas-Führung angeordneten Barbarei war klar. Ein Funktionär bekannte in einem Interview mit der New York Times, dass es darum gegangen sei, Israel in einen neuen Krieg zu zwingen, in einen Krieg, der Bilder der Zerstörung in Gaza liefern sollte, die die Hamas benötigte, um die beginnende Entspannung zwischen Israel und einigen arabischen Staaten zu sabotieren und den jüdischen Staat wieder einmal international zu beschädigen. Dafür nahm die Hamas palästinensische Opfer nicht nur in Kauf, sondern sie benötigte sie, um das Bild eines geschundenen palästinensischen Volkes zu zeichnen, die von einer übermächtigen israelischen Armee bedroht wird. Das perfide Kalkül ging auf. Die UN verurteilte wieder einmal Israel und schwieg zum Terror der Hamas – und auch in den europäischen Staaten witterten Antisemiten jeder Couleur Morgenluft. 

In Neukölln kündigten radikal-marxistische Palästinenserorganisationen an, den Stadtteil zu Gaza machen zu wollen und mobilisierten dafür auch Islamisten. Die Polizei verhinderte das Schlimmste und bezahlte mit der Verletzung von über 50 Kollegen. In einem „Brief aus Berlin“ kritisierten Professoren renommierter deutscher Universitäten daraufhin nicht die antisemitistischen Umtriebe in einem Stadtteil, der ohnehin schon für Juden zu einer  Gefahrenzone geworden war, sondern die Polizei. Diese habe den ganzen Stadtteil kriminalisiert, sich des racial profilings schuldig gemacht und palästinensische Jugendliche polizeilicher Gewalt ausgesetzt. Innerhalb einer bestimmten linken Wissenschaftsblase werden solche Positionen honoriert. Man gibt sich strikt anti-westlich, verbreitet die Mär, Deutschland sei ein strukturell rassistisches Land und sucht den Schulterschluss zu den vermeintlich Unterdrückten des „westlichen Imperialismus“. Die Palästinenser boten sich schon seit den 1960er-Jahren an, weil sie sich als Opfer zu inszenieren wussten und die Revolutionsfantasien einer behüteten linken Mittelschicht befeuerten. Mehrere Anschläge auf jüdische Einrichtungen gehen auf das Konto linker Revoluzzer und auch die Zusammenarbeit zwischen linken und palästinensischen Extremisten funktionierte stets gut.

Mittlerweile ist auf der Basis eines geteilten Feindbildes eine Querfront zwischen Islamisten, Marxisten und intellektuellen Antisemiten entstanden, die das Leben an den Universitäten für jüdische Studenten zunehmend unsicher macht. Bezeichnenderweise gehören die links-akademischen Antisemiten der gleichen Szene an wie diejenigen, die gewöhnlich verhindern, dass Wissenschaftler einen Vortrag halten, der angeblich ihre Gefühle verletzt. Letzteres kann schnell geschehen. Schon ein „falsches“ Pronomen oder ein falsches Thema wird als unzumutbar skandalisiert. Ein Vortrag über die menschliche Zweigeschlechtlichkeit ist derzeit aus diesem Grund ebenso wenig möglich, wie eine Konferenz, in der die derzeitige Einwanderungspolitik offen debattiert wird. Auch der erstarkende Islamismus wird tabuisiert, obwohl er in vielen Schulen zu einem ernsthaften Problem geworden ist. 

Im Jugendhilfswerk Arche wurde jüngst ein junger Islamist mit folgenden Worten zitiert: „Zuerst schneiden wir den Juden die Kehle durch, dann den Schwulen und am Schluss den Christen“. Die Universitäten wollen davon nichts wissen, doch die Aussage zeigt, wohin die Reise geht, wenn wir jetzt nicht eingreifen. Wer glaubt, dies sei alles nicht ernst gemeint oder übertrieben, dem sei ein Blick nach Frankreich, Belgien oder Schweden empfohlen. Wer jüdisches Leben in Deutschland wieder sicher machen möchte, wird nicht umhin kommen, zentrale Parameter der Außen-, Sozial- und Migrationspolitik ernsthaft zu überprüfen. Wer Millionen von Menschen aus Ländern ins Land lässt, die Antisemitismus als Teil ihrer Staatsräson verstehen, muss sich nicht wundern, dass diese Art des Extremismus zunimmt. Wer mit Floskeln wie einen antimuslimischen oder antipalästinensischen Rassismus operiert, wird weder dem grassierenden Antisemitismus noch dem erstarkenden Islamismus etwas entgegensetzen können. Eines sollte sicher sein: Die Verteidigung der Juden in Deutschland ist nicht nur ein Auftrag aus unserer Geschichte, sondern sie entspringt auch dem Eigennutz. Die israelische Demokratie ist ein Bollwerk gegen Islamismus und Autoritarismus im Nahen Osten, und die Situation der jüdischen Bevölkerung in Deutschland spiegelt den Zustand des gesamten Landes wieder. Wer das Leben der Juden in Deutschland aufs Spiel setzt, sägt auch am Ast der Demokratie.

Susanne Schröter

Susanne Schröter ist Professorin am Institut für Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Vorstandsmitglied des „Deutschen Orient-Instituts“ und Senatsmitglied der „Deutschen Nationalstiftung“. Sie ist im wissenschaftlichen Beirat der „Bundeszentrale für politische Bildung“ sowie im Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischem Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam). Des Weiteren ist sie Mitglied der „Hessischen Integrationskonferenz“, des „Dialog Forum Islam Hessen“, des „Hessischen Präventionsnetzwerk gegen Salafismus“ und der „Polytechnischen Gesellschaft“. Im November 2014 gründete sie das „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam“ (FFGI) und ist seitdem Direktorin der Einrichtung. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Islamismus und Dschihadismus; progressiver und liberaler Islam; Frauenbewegungen in der islamischen Welt; Konstruktionen von Gender und Sexualität; Säkularismus und Religion; Flüchtlinge und Integration; politische, religiöse und ethnische Konflikte.

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