Foto: ZDF Heute Journal

„Eingebrockt“ – Sievers verwechselt Haushaltskontrolle mit Mutwilligkeit

Wiegt das hohe Ziel der klimafreundlichen Transformation schwerer als ein Verfassungsbruch? Ja, diesen Eindruck gewinnen die Zuschauer des Heute Journals am Abend nach dem Urteil. Es liegt an Christian Sievers‘ Fragestil im Interview mit Merz. Der Subtext: Lästiges Piesacken der Opposition bringt Regierungshandeln in Finanznot; die „dringend“ notwendigen Transformationspläne der Ampel werden von der Opposition mutwillig ausgebremst. Die andere Lesart wird dabei völlig ausgeblendet: Die Opposition kommt ihrer parlamentarischen Kernfunktion nach Haushaltskontrolle, Rechtssicherheit und Transparenz für den Bürger nach.

Woran ist das erkennbar?

„Industrie und Handwerk sehen zum Teil jetzt mit Schrecken, […] was die Unionsfraktion letztlich ihnen eingebrockt hat. Wenn die Finanznot die Politik jetzt lähmt und diese dringende Transformation, die das Land ja braucht, verhindert – könnte es dann am Ende nur Verlierer geben?“ [1]

1. Tendenziöse Wortwahl: „eingebrockt“, „sägen“, „Schachmatt setzen“

Mit Begriffen, wie „einbrocken“, „sägen“ [2] und „Schachmatt setzen“[3] lenkt Sievers den Blick des Zuschauers einzig auf eine vermeintliche Mutwilligkeit der Opposition, die Regierung zu torpedieren. Doch die Kontrolle von Regierungshandeln auf Verfassungskonformität ist keine Mutwilligkeit, sondern höchste parlamentarische Aufgabe der Opposition. Sie nimmt damit ihr Wählermandat ernst. Zudem wurde in den Beratungen zum Haushalt bereits mehrfach auf die Problematik hingewiesen, u.a. vom Präsidenten des Bundesrechnungshofes.

2. Kontroverses als Fakt darstellen: „Diese dringende Transformation“

Dass das Land genau „diese dringende Transformation“, wie sie die Ampel vorsieht, brauche, meint zunächst einmal Christian Sievers. Wie diese Transformation auszugestalten und zu finanzieren ist, ist jedoch stets eine politisch auszuhandelnde Frage. Sievers jedoch stellt die Transformationsvorstellung der Ampel als zu erfüllenden, allgemeingültigen Fakt dar. Er kleidet ein politisches Ziel in eine apolitische Wahrheit. Das ist tendenziös.

Wir fragen:

  1. Warum werden politische Ziele, wie die Transformation und damit zusammenhängende Maßnahmenpakte als allgemeingültige Ziele ausgewiesen?
  2. Warum wird das Argument der Verfassungsbindung im ÖRR je nach Thema höher oder tiefer gehängt? In der Diskussion um die Reform des Asylrechts etwa wird konsequent auf das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Asyl verwiesen [4]. Doch wenn der Klima- und Transformationsfonds ins Wanken gerät, dann wiegt der Verfassungsbruch scheinbar weniger schwer. Der Maßstab ist nicht der gleiche.

Wir fordern:

  1. Einen einheitlichen Maßstab in der Berichterstattung, wenn Verfassungsbindung als politisches Argument gebraucht wird: Entweder sollte die Verfassungsbindung als Grundbedingung (Asylfrage) oder als relativierbar (Haushalt) dargestellt werden. Die Darstellung nach politischem Kontext zu variieren, ist jedoch unausgewogen und tendenziös.
  2. Alle Maßnahmen und Ziele rund um Klimaschutz sind genuin politisch. Der ÖRR sollte daher auch das Transformationsziel als dezidiert politisches Ziel darstellen. Stattdessen geschieht das Gegenteil: Er entpolitisiert das Transformationsziel und macht es zu einer übergeordneten Wahrheit, der die Notwendigkeit einer rechtssicheren Haushaltsführung untergeordnet werden kann. Auch das ist tendenziös.

[1] Zitat: Christian Sievers, Moderator ZDF-HeuteJournal

[2] Mit Blick auf eine weitere, von der CDU angekündigte Prüfung des Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds, bemerkt Sievers: „Werden Sie tatsächlich auch daran sägen und die Regierung auch auf dem Gebiet Schachmatt sezten am Ende?“

[3] Ebd.

[4] Georg Restle auf Instagram: „Wer das Grundrecht aus Asyl antastet, greift das Wichtigste aller Grundrechte an“, vgl. https://www.instagram.com/p/Cu4c9rUsNyf/

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