Foto: Sohaib Ghyasi auf Unsplash

Verzerrter westlicher Blick auf das Morgenland

Europas Blick auf das Morgenland und seine Menschen ist nach wie vor verzerrt. Das führe zu falschen Entscheidungen mit fatalen Folgen, schreibt R21-Gründungsmitglied Ahmad Mansour in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung „DIE WELT“.

Universitätsfakultäten, Wissenschaftler, Berater, Journalisten seien seit Jahrzehnten damit beschäftigt, ihre Fehleinschätzungen zu rechtfertigen. Hätte man halb so viel Energie und Ressourcen investiert, um die Realität des Morgenlands neutral zu betrachten, statt mit der Brille ideologisch vorbelasteter Aktivisten, dann hätte man vielleicht vor allem den Menschen, die in der Region leben, einiges erspart.

Trügerische Hoffnungen

Auch jetzt wiederholt sich aus der Sicht des Islamismus-Experten Mansour das alte Muster: Denn ein verzerrter Blick und Wunschdenken ließen Hoffnungen entsehen, die „neuen“ Taliban seien anders. „Genau so haben wir zuvor einst die türkische AKP und Erdogan bewertet. Gab es damals, als Erdogan an die Macht kam, nicht Politiker, die von einer muslimischen CDU gesprochen hatten?“

Innenpolitische Parallelen

Aber nicht nur in der Außenpolitik komme es immer wieder zu Fehleinschätzungen, sondern auch in Europa – egal ob bei der Integration, der Migration oder beim Umgang mit dem politischen Islam. „Die undemokratischen Akteure wissen mittlerweile, welche Codes, welche Worte sie nutzen müssen, um die Herzen der überforderten und naiven europäischen Politiker schneller schlagen zu lassen: ‚Demokratie, Menschenrechte, Freiheit‘. Wenn das nicht zum Ziel führt, klagt man über Rassismus und macht sich theoretische Konzepte wie den Postkolonialismus zu eigen, um kritische Stimmen zu unterdrücken.“

Reformwille muss von innen kommen

Mansour ist überzeugt: Menschenrechte und Freiheit sollen weiterhin Exportgedanken Richtung Osten bleiben, da sie tiefe menschliche Bedürfnisse – unabhängig von Herkunft, Religion oder Hautfarbe – erfüllen. Doch der Westen müsse bei der Unterstützung demokratischer Bestrebungen eine neutrale und nüchterne Sicht erlernen.

„Die Bevormundung durch den Westen kann nicht mehr das Mittel der Stunde sein. Die Region braucht tiefgreifende Reformen in allen Lebensbereichen: Religion, Bildung, Erziehung und Demokratisierung. Diese Reformen müssen aber aus den Bevölkerungen dort selber kommen. Nur mündige Menschen können eine qualitative Änderung schaffen.“

Der komplette Beitrag in DIE WELT >

Author

  • Susanne Schröter ist Professorin am Institut für Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Vorstandsmitglied des „Deutschen Orient-Instituts“ und Senatsmitglied der „Deutschen Nationalstiftung“. Sie ist im wissenschaftlichen Beirat der „Bundeszentrale für politische Bildung“ sowie im Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischem Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam). Des Weiteren ist sie Mitglied der „Hessischen Integrationskonferenz“, des „Dialog Forum Islam Hessen“, des „Hessischen Präventionsnetzwerk gegen Salafismus“ und der „Polytechnischen Gesellschaft“. Im November 2014 gründete sie das „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam“ (FFGI) und ist seitdem Direktorin der Einrichtung. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Islamismus und Dschihadismus; progressiver und liberaler Islam; Frauenbewegungen in der islamischen Welt; Konstruktionen von Gender und Sexualität; Säkularismus und Religion; Flüchtlinge und Integration; politische, religiöse und ethnische Konflikte.

    Alle Beiträge ansehen

Neusten Beiträge

Am meisten gelesen

Tags

Denkfabrik R21 Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden

News

Ähnliche Artikel

Die Welt – und die Aktienmärkte – brauchten eine Weile, um zu begreifen, dass Trumps Zölle nicht reziproke Zollparität erreichen...

Valerie Wilms wurde als Mann geboren und saß von 2009 bis 2017 als Frau im Deutschen Bundestag. In der neuen...

Während an den Elite-Hochschulen der USA gegen Donald Trump protestiert wird, wird der Präsident in den ehemaligen Industriehochburgen gefeiert. Hier...

Die FDP ringt um ihren Kurs. In einem Gastbeitrag für CICERO empfiehlt R21-Geschäftsführer Martin Hagen seiner Partei, in allen Politikbereichen...

Ein Gespenst geht um in Europa: Das Gespenst des Verlustes von Wohlstand und Sicherheit, Recht und Freiheit. Wie können wir...

Die Union ist mit dem Versprechen eines Politikwechsels in die Wahl gegangen. „Wenn sie diesen Anspruch nicht einlöst, erzeugt sie...

Aus Sicht der neuen Regierung unter Donald Trump verliefen die ersten beiden Monate im Amt wahrscheinlich besser als gedacht, könnten...

„Wir sind gut durch die Corona-Pandemie gekommen“, heißt es oft. Aber stimmt das wirklich? Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown...

In der Jubiläumsfolge von „Frei heraus“ spricht Martin Hagen mit den beiden Leitern der Denkfabrik R21 über die laufenden Koalitionsverhandlungen....