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Bundeskanzleramt
Foto: Jürgen Nowak auf Shutterstock

Auf der Suche nach einer Koalition

In einer Diskussionsrunde des Südwestrundfunks unter dem Motto „Nach der Bundestagswahl – Regiert uns jetzt der Kompromiss?“ analysiert R21-Leiter Andreas Rödder zusammen mit den Publizisten Bettina Gaus und Christoph Schwennicke am Tag nach der Wahl die politische Lage.

Machtoption und Parteiräson

Professor Rödder sieht die CDU/CSU aktuell in einem Dilemma zwischen erneuter Regierungsbildung einerseits und notwendiger inhaltlicher Erneuerung andererseits. Es bestehe die Gefahr für die Union, dass sich ihr Erosionsprozess bei einer erneuten Regierungsführung weiter fortsetze. „Das könnte darin enden, dass sie die Schlacht um das Kanzleramt gewinnt, den Krieg aber – also die Auseinandersetzung – darüber verliert, eine inhaltlich substantiierte Partei zu bleiben.“

Es sei nicht zu übersehen, dass sich über Jahre hin ganz grundlegende Konfliktlinien in der CDU aufgebaut haben. Diese seien um der Regierung willen mit eiserner Hand zusammengehalten worden. Wenn diese parteiinterne Geschlossenheit jetzt aufbräche, so Rödder, wäre das ein Novum in der Geschichte der Partei der letzten 20 Jahre. Es zeuge von der Schwere der Konflikte, aber auch von der Lebendigkeit der Partei.

Momentum bei Grünen und FDP

Neu ist das Gewicht, dass die beiden kleineren Parteien Grüne und FDP beim Ausloten der Koalitionsoptionen haben. Union und SPD sieht Rödder „erst einmal in der Hinterhand“.

Ein Jamaica-Bündnis, bei dem die Union als zweitstärkste Kraft im Bundestag mit Grünen und FDP eine Regierung bilden würde, hält der Historiker für möglich. Die Parteichefs der Grünen und der FDP könnten sich in einem spannungsvollen Verhältnis einigen. Der CDU-Vorsitzende Laschet könnte das für seine Regierungsbildung nutzen, indem er ihnen ein gutes Angebot machen würde.

Sollten FDP und Grüne in ihren Forderungen überziehen, wäre rein rechnerisch auch immer noch eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD denkbar.

Erschöpfung nach Corona

Andreas Rödder wie seine Gesprächspartner begrüßen das im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 schlechte Abschneiden der parteipolitischen Ränder. Für Rödder drückt sich darin ein Bedürfnis nach Ruhe und Stabilität aus, das sich gerade nach der Corona-Pandemie in der Gesellschaft ausgebreitet habe. Der sozialpsychologische Befund ist aus Rödders Sicht nicht ohne Gefahr: „Wir müssen uns keine Sorgen um die Stabilität in diesem Land machen. Worüber ich mir eher Sorgen mache, ist die Innovationsfähigkeit dieses Landes, wenn das Bedürfnis nach Ruhe und Stabilität – keine Experimente, keine Veränderung – so stark ist.“

Die Diskussion in voller Länge – Audio >

Andreas Rödder

Andreas Rödder ist Leiter der Denkfabrik R21 und Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Gegenwärtig wirkt er als Helmut Schmidt Distinguished Visiting Professor an der Johns Hopkins University in Washington. Er war Fellow am Historischen Kolleg in München sowie Gastprofessor an der Brandeis University bei Boston, Mass., und an der London School of Economics. Rödder hat sechs Monographien publiziert, darunter „21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart“ (2015) und „Wer hat Angst vor Deutschland? Geschichte eines europäischen Problems“ (2018), sowie die politische Streitschrift „Konservativ 21.0. Eine Agenda für Deutschland“ (2019). Andreas Rödder nimmt als Talkshowgast, Interviewpartner und Autor regelmäßig in nationalen und internationalen Medien zu gesellschaftlichen und politischen Fragen Stellung; er ist Mitglied im Vorstand der Konrad-Adenauer-Stiftung und Präsident der Stresemann-Gesellschaft.

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