Stellen wir uns vor, Donald Trump würde per Dekret verordnen, der Hamburger hiesse nun «Trump Burger», US-Highways «Trump-Roads» und Sneaker hiessen «Trumpees». Ginge das? Ja, bestimmt. Immerhin hat Trump am Freitag den 7. Februar 2025 verkündet, er würde ein Dekret unterzeichnen und die im Juli 2024 von Joe Biden eingeführt Papierstrohhalminitiative zu beenden. Wenn dem Präsidenten aber einfiele, den US-Dollar durch eine komplett neue Währung zu ersetzen, ginge das wahrscheinlich nicht. Und start-up-mässig die Bürokratie an US-Behörden so sehr reduzieren, dass fast nichts mehr bleibt, vielleicht gar etwas ganz Neues an ihre Stelle setzen? Es bleibt abzuwarten.
Napoleon sprach von der Wichtigkeit der richtigen Moral, im Sinne von Kampfesmoral als Wille zur Macht. Derzeit ist in Washington die Moral der Exekutive sicherlich grösser als die der anderen Gewalten. Die ersten Wochen von Trumps zweiter Amtszeit sind geprägt vom Kampf gegen den «deep state»: bürokratische Verschlackung, überflüssige Vorschriften, unnötige Staatsausgaben und – so unterstellen MAGA-Kritiker – von der mit der Kampfansage an den «deep state» zusammenhängenden Attacke auf Minderheiten.
Umgekehrt werfen die Republikaner den Demokraten vor, diese würden das System missbrauchten, indem sie ideologiegesteuerte (DEI-)Bürokratie betrieben people of color und der LGBTQ-Gemeinde fast immer zu Unrecht Bedürftigkeit unterstellten, um an diese Steuergelder zu verschwenden, und um, so Trump auf Social Media, an «woke» Medien Geld auszuschütten, während bedürftige weisse Amerikaner hintenüber fielen.
Diesen vermeintlich gesinnungs- und nicht effizienzgesteuerten Bürokratenstaat im Staat möchten Trump, Elon Musk und dessen Department of Government Efficiency (DOGE) nun abschaffen, um zirka drei Trillionen Dollar Staatsausgaben einzusparen. Musk nennt es den Beginn der «zweiten amerikanischen Revolution», sagte in einem Livestream: «If it’s not possible now, it will never be possible. This is our shot. This is the best hand of cards we’re ever going to have. If we don’t take advantage of this best hand of cards, it’s never going to happen».
DOGE hat bisher etwa vierzig Mitarbeiter, viele stammen aus Musks Firmen SpaceX und Tesla. Zusammen mit seinem engsten Stab, sechs Ingenieuren im Alter zwischen 19 und 26, lebt Musk derzeit im in einem mit Betten ausgestatteten Bürotrakt des Weißen Hauses, in einem day-and-night Think Tank. So ähnlich, wie er damals im Silicon Valley in seiner Start-Up Zeit gelebt habe, sagen manche.
Seit Anfang Februar haben Musk und sein Miniteam die Computer- und Zahlungssysteme des Finanzministeriums, der Entwicklungshilfebehörde USAID und des Bildungsministeriums eingesehen. Das Finanzministerium wickelt jährlich Transaktionen in Höhe von 6 Milliarden Dollar ab – darunter Sozialleistungen, Steuerrückzahlungen, Gehälter – und kontrolliert etwa 20 Prozent der US-Wirtschaft. Er wolle diejenigen Transaktionen stoppen, die verschwenderisch seien, sagte Musk. Zum Beispiel habe er bereits das Online-Filing-System der Steuerbehörde (das für Benutzer umsonst war) gelöscht.
Am 7. Februar schloss DOGE dann die Entwicklungshilfebehörde USAID (mit einem Budget von zirka 50 Milliarden Dollar) und entliess bis auf 294 den Rest der knapp 10.000 Angestellten. USAID konzentriert sich auf humanitäre Hilfe und Gesundheitsversorgung für unterversorgte Bevölkerungsgruppen im Ausland. An die Regionalmanager der General Services Administration (GSA), zuständig für etwa 7.500 Regierungsgebäude, schickte DOGE außerdem Emails mit der Aufforderung, Mietverträge zu kündigen. Auch sah DOGE die Zahlungssysteme des Center for Medicare and Medicaid Services (CMS) ein, sowie die der Small Business Administration, die Kleinunternehmer mit Kleinkrediten fördert.
Nach der USAID fordert DOGE nun die Schließung des Bildungsministeriums. Die Empörung ist immens, die Panik noch grösser. Der Tenor: DOGE überschreite jegliche Befugnisse, der Kongress bestimme über Haushalt und Schließungen von Regierungseinrichtungen; Auszahlungsstopp für bereits vom Kongress bewilligte Gelder zu veranlassen, sei illegal. “Will DOGE cut funding to programs approved by Congress that Donald Trump decides he doesn’t like?” fragte der demokratische Senator Chuck Schumer yesterday. “What about cancer research? Food banks? School lunches? Veterans aid? Literacy programs? Small business loans?”
DOGE gefährde die Nachrichtensysteme, verletze Privacy Laws, töte Menschen (denen in Entwicklungsländern nun bald die von USAID gelieferte Medizin gegen HIV, Pocken und Ebola fehlen könnte), sei rassistisch (Kleinkredite werden vor allem an people of color vergeben). Überdies kramte das Wall Street Journal alte, rassistische Posts eines DOGE-Mitarbeiters hervor. Der wurde gefeuert, nun aber wieder eingestellt. Irren sei menschlich, vergeben göttlich, sagte der Vize-Präsident J.D. Vance. Man lasse nicht mehr zu, dass Journalisten den Ruf von Menschen ruinierten.
Am 8. Februar blockierte ein US-Bundesrichter DOGES Zugang zu Daten des Finanzministeriums. Für den 20. Februar ist eine erste gerichtliche Anhörung angesetzt. Geladen sind Elon Musk und DOGE-Vertreter. Bereits im Vorfeld äußerte Musk sich auf X: Das Finanzministerium – so zeigten die bisherigen Einsichten des DOGE-Teams – veruntreue wahrscheinlich Steuergelder; dies hätten Angestellte des Finanzministeriums bereits bestätigt. Pro Jahr würden etwa 100 Milliarden Dollar an unbekannte Empfänger – ohne Angabe von ID-Nummern oder Sozialversicherungsnummern – ausgezahlt.
Bürokratie hat keine Spitze der Macht, außer vielleicht die von ihr ausgelagerten Richter (manche von ihnen blockieren derzeit DOGES Vorstöße ganz oder in Teilen), kein Machtzentrum im Sinne eines Büros im obersten Stockwerk, wo der Letztverantwortliche sitzt. Bürokratische Macht tröpfelt nach allen Seiten, nicht Individuen treffen Entscheidungen, sondern Prozesse lösen Entscheidungen aus.
Derzeit kollidieren zwei Weltsichten auf Bürokratie und Beamtenstaat. Für die einen ist die Bürokratie ein gordischer Knoten, unüberwindbar, verschlungen und kompliziert, nie ganz zu verstehen. Der Staat scheint gleichsam gottgegeben, die Ausgaben und die Experten-Beamten ebenso. Aber das stimmt nicht. Infrastruktur, Rentenbezüge, Expertisen, Veteranen-Leistungen – nicht alles lässt sich streichen. Dennoch gibt es Bereiche, auf die man durchaus Einfluss nehmen kann. Musk tut, was er bereits als Unternehmer nach seiner Übernahme von Twitter / X getan hat, und was auch bei Tesla immer wieder Thema ist: Kosten senken, gegebenenfalls Angestellte entlassen. Anstatt an dem gordischen Knoten der Bürokratie zu rupfen und zu reißen, zerhackt Musk ihn vielleicht (wie Alexander der Grosse), indem er an dem richtigen Punkt ansetzt.
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Sarah Pines ist im Sauerland und in Bonn aufgewachsen, hat Literaturwissenschaft in Köln und an der Stanford University studiert und wurde in Düsseldorf mit einer Arbeit über Baudelaire promoviert. Sie schreibt für die Kulturressorts der ›Zeit‹, der ›Welt‹ und der ›NZZ‹. Pines lebt als freie Autorin in New York. 2020 veröffentlichte sie die Kurzgeschichtensammlung ›Damenbart‹; im August 2024 erscheint ihr erster Roman ›Der Drahtzieher‹.
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