Foto: Denkfabrik R21

Für eine Renaissance bürgerlich-liberalen Denkens

Kristina Schröder und Andreas Rödder werben im Gespräch mit der Tageszeitung „DIE WELT“ für eine Renaissance bürgerlich-liberalen Denkens und erklären, dass die Gründung der Denkfabrik auch eine Reaktion auf die zunehmende Marginalisierung und Sprachlosigkeit der bürgerlichen Mitte sei.

Nachfolgend das Interview im Auszug:

WELT: Frau Schröder, Herr Rödder, zusammen mit 13 weiteren Initiatoren haben Sie die Denkfabrik Republik21 gegründet; Sie werben für eine bürgerliche Renaissance. Bräuchte der deutsche Konservatismus aber nicht viel eher eine Disruption, also eine kreative Zerstörung?

Andreas Rödder: Konservative sind in der Tat keine geborenen Anwälte von Disruption, zumal sie die historischen Kosten kennen. Vielmehr sind die stetige und konsequente Verbesserung des Bestehenden und die menschenfreundliche Gestaltung des Wandels das eigentliche konservative Erfolgsrezept in der modernen Welt. Insofern ist der Rückgriff auf die Traditionen bürgerlichen Denkens (/wissenschaft/plus234338468/Ende-derbuergerlichen-Mitte-Drei-neue-Milieus-praegen-jetzt-Deutschland.html) – nicht als Leerformel, sondern inhaltlich gefüllt – unserer Überzeugung nach ein Rezept, mit dem man die Herausforderungen, vor denen wir in den 20er-Jahren stehen, tatsächlich meistern kann.

WELT: Sind Sie also der bürgerlich-konservative Aufbruch, den die Union gerade nicht zustande bringt?

Rödder: Wir verstehen uns als Partner von bürgerlichen Parteien, nicht als deren Konkurrent. Daher sind wir eine unabhängige und überparteiliche, keine unparteiische Initiative – wir haben die Freiheit, das zu tun, was politische Parteien oder Stiftungen nicht tun können. Wir wollen die bürgerliche Stimme in der öffentlichen Debatte in Deutschland auf intellektuell satisfaktionsfähige Weise zur Geltung zu bringen, das ist unser Ansatz.

WELT: Nun hinterlässt Angela Merkel eine inhaltlich entkernte, verwechselbare CDU. Wie definieren Sie die bürgerliche Politik, die diese Lücke wieder schließen soll?

Kristina Schröder: Es ist in der Tat ein Problem, dass es sehr vielen in der CDU, auch Funktionsträgern, schwerfällt, drei Punkte zu beschreiben, die uns als Union wirklich ausmachen.

WELT: Können Sie mir drei Punkte nennen?

Schröder: In den letzten zehn bis 15 Jahren hat es bei uns an eigenständigen Gedanken, mit denen wir die politische Debatte hätten selbstbewusst prägen können, gefehlt. Und genau das ist unser Ziel. Es geht uns darum, die Gedanken, die uns im Grunde schon seit Jahrhunderten in Deutschland und Europa zu Wohlstand und Freiheit verholfen haben, für das 21. Jahrhundert neu durchzubuchstabieren. Die drei Punkte wären also: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft.

Rödder: Genau das ist auch die Flughöhe, bei der wir ansetzen müssen. Es geht darum, politische Grundhaltungen wiederzubeleben – insofern geht es tatsächlich um eine Renaissance, nicht um eine Disruption. Ein Beispiel: Nach meiner festen Überzeugung ist die Idee der Subsidiarität Kernbestandteil christdemokratischen Denkens. Dabei geht es um die Verbindung von Eigenverantwortung und Solidarität der Gemeinschaft; der Einzelne ist eigenverantwortlich für sich selbst. Wenn er diese Eigenverantwortung nicht mehr wahrnehmen kann, so greift die Solidarität der Gesellschaft. Ein weiteres Beispiel ist der Begriff der Gleichberechtigung, die für uns die proaktive Schaffung von Chancen bedeutet, nicht die Herbeiführung von Ergebnissen, die zu einer neuständischen Gesellschaft führt.

Schröder: Denn das wäre Gleichstellung.

Rödder: Genau. Und aus reflektierten Grundhaltungen kann dann unterscheidbare konkrete Politik hervorgehen.

Das ganze Interview auf der Website der WELT 

Author

  • Kristina Schröder

    Kristina Schröder ist stellvertretende Leiterin der Denkfabrik R21 und arbeitet als selbständige Unternehmensberaterin, Publizistin und Kolumnistin bei der Tageszeitung WELT. Von 2002 bis 2017 war die Christdemokratin Mitglied des Deutschen Bundestages. Neben ihrem Mandat schrieb sie ihre Dissertation bei dem Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter zum Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit. Von 2009 bis 2013 war sie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Danke, emanzipiert sind wir selber. Abschied vom Diktat der Rollenbilder“ lautete der Titel ihrer 2012 erschienenen Streitschrift, in der sie für eine Politik der Wahlfreiheit und des Respekt des Staates gegenüber privaten Lebensentwürfen von Frauen und Familien plädiert. Im September 2021 veröffentlichte Kristina Schröder die Essaysammlung "FreiSinnig. Politische Notizen zur Lage der Zukunft". Schröder engagiert sich ehrenamtlich in der schulischen Elternarbeit und als Botschafterin der Initiative Neue soziale Marktwirtschaft.

    Alle Beiträge ansehen

Neusten Beiträge

Am meisten gelesen

Tags

Denkfabrik R21 Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden

News

Ähnliche Artikel

Die FDP ringt um ihren Kurs. In einem Gastbeitrag für CICERO empfiehlt R21-Geschäftsführer Martin Hagen seiner Partei, in allen Politikbereichen...

Ein Gespenst geht um in Europa: Das Gespenst des Verlustes von Wohlstand und Sicherheit, Recht und Freiheit. Wie können wir...

Die Union ist mit dem Versprechen eines Politikwechsels in die Wahl gegangen. „Wenn sie diesen Anspruch nicht einlöst, erzeugt sie...

Aus Sicht der neuen Regierung unter Donald Trump verliefen die ersten beiden Monate im Amt wahrscheinlich besser als gedacht, könnten...

„Wir sind gut durch die Corona-Pandemie gekommen“, heißt es oft. Aber stimmt das wirklich? Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown...

In der Jubiläumsfolge von „Frei heraus“ spricht Martin Hagen mit den beiden Leitern der Denkfabrik R21 über die laufenden Koalitionsverhandlungen....

Mit der Abwendung der US-Administration vom westlichen Bündnis brechen die Fundamente der äußeren Sicherheit Deutschlands und Europas. Nullwachstum, Strukturkrise, die...

Der Westen steckt tief im Kulturkampf um das Geschlecht, und die zentrale, aber bis dato unbeantwortete Frage, wer in westlichen...

Das deutsche Gesundheitssystem gilt als teuer und wenig effizient und dies trotz der hohen Qualifikation der Mitarbeiter und exzellenter technischer...