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Ablösung von Julia Ruhs im NDR

Wie sich der ÖRR um Antworten drückt

Julia Ruhs avancierte mit ihrem Format „Klar“ nachweislich zum Zuschauerliebling, dann schasste sie der NDR. Auf eine Erklärung wartet der Gebührenzahler vergeblich. Dabei ist der ÖRR ihm Rechenschaft schuldig.

Die Empörung über Julia Ruhs‘ Ablösung war groß und vorhersehbar. Das Fazit der letzten Tage: Auf die Gutsherren-Entscheidung des NDR folgte ein breites Polit-Echo samt markiger Forderungen zum Einfrieren der Gebührengelder. Darauf wiederum folgten die bekannten Reflexe gegen eine „absurde Diskussion“ (NDR-Programmchef Beckmann) sowie eine „übergriffigen politischen Einflussnahme“ (DJV-Chef Mika Beuster) – das eingespielte Playbook im Falle sich wiederholender und verschärfender ÖRR-Entgleisungen.

Doch was folgt daraus? Drehbuchartige Empörungsroutinen reichen offenkundig nicht aus, um den ÖRR zu einer Verhaltensänderung zu zwingen. Vielmehr sollte er konsequent mit der Nicht-Erfüllung der eigenen Ansprüche konfrontiert werden. Und das ist nicht schwer.

Kein Rechenschaftsgefühl gegenüber Gebührenzahlern

Jeder Unternehmer muss sich für seine Entscheidungen gegenüber seinen Anteilseignern rechtfertigen. Wer als Gebührenzahler Erklärungen des NDR für die Ablösung der beliebten Moderatorin Ruhs sucht, wird hingegen nicht fündig. Gerade eingesetzt, sagt der neue NDR-Intendant Hendrik Lünenborg nichts: „Lünenborg ging nicht näher auf die Beweggründe für die Entscheidung ein“, heißt es im Deutschland-funk. Er verwies auf die Programmverantwortlichen. Doch auch Programmdirektor Frank Beckmann spürte offensichtlich kein Erklärungsbedürfnis, geschweige denn eine Rechenschaftspflicht. Im Interview sagte er einiges zur „Absurdität“ der Diskussion, fast nichts zur Causa Ruhs an sich. Dass er sich dazu vom eigenen Sender und nicht etwa von kritischen Drittmedien oder anderen ARD-Sendeanstalten in-terviewen ließ, zeigt überdies, wie wenig ernst ihm die Rechtfertigung gegenüber dem zahlenden Zu-schauer zu sein scheint.

Personenkult um Ruhs scheinbar nicht erwünscht, bei Restle schon?

Was Beckmann dann sagte, überzeugt hingegen nicht: Das Ziel sei Meinungspluralität, und dafür zähl-ten Themen statt Köpfe; Journalisten einen politischen Stempel zu verpassen, widerspräche dem journa-listischen Handwerk. Damit unternimmt Beckmann den Versuch, sich von einem Personenkult zu distanzie-ren, der bei gleichem Format, nur an anderer Stelle und unter anderen politischen Vorzeichen, nicht moniert wird oder gar gelegen zu kommen scheint: Man denke hier an den umstrittenen und politisch eindeutig links stehenden Georg Restle und sein Format „monitor“ oder etwa an das „Reschke-Fernsehen“, das den Namen der Moderatorin im Titel trägt.

Pluralismusfeindliche interne Kampagne

Der Versuch, die Gründe für die Personalentscheidung auf den hehren öffentlichen Pluralismusauftrag zu lenken, um dann bei einem Köpfe-Abgleich zu landen, misslingt dem Programmchef. Auf Ruhs‘ Vor-wurf einer Mobbing-Kampagne im Zuge eines Protestschreibens aus der Mitarbeiterschaft wird auf senderinterne Prozesse verwiesen, die es zu prüfen gelte. Veröffentlicht wird das Schreiben nicht, auch keine Auszüge daraus. Dabei wäre es für die kritische Öffentlichkeit bedeutsam, nachzuvollziehen und diskutieren zu können, welche Kriterien als richtig und in diesem Fall als unerfüllt erachtet werden. In jedem Fall würde der NDR damit seiner Rechenschaftspflicht ehrlich nachkommen. Und er würde bei den Zuschauern das Gefühl vermeiden, sie einer allzu banalen PR-Ablenkungsstrategie auszusetzen.

Dies ist nicht zuletzt mit Blick auf das am 1.10.2025 erwartete Grundsatzurteil des Bundesverwal-tungsgerichts wichtig. Hier wird zu klären sein, wie die Sicherung der Meinungsvielfalt zu definieren ist und inwieweit bei Nicht-Erfüllung Einzelne gegen die Entrichtung des Rundfunkbeitrags klagen können.

Wir fragen:

1. Welche Gründe sprechen gegen eine Alleinmoderation des Formats „Klar“ durch Julia Ruhs, wenn bspw. Georg Restle und Anja Reschke ebenfalls ihre ARD-Politformate allein moderieren?
2. Warum soll in das Format „Klar“ redaktionell und personell zusätzlich investiert werden, wenn die Zuschauerzufriedenheit nachweislich hoch ist und der ÖRR sich eine Sparaufla-ge verordnet hat?

Wir fordern:

1. Eine ehrliche Rechtfertigung des ÖRR für seine Entscheidungen im Allgemeinen und die Personalentscheidung zu Julia Ruhs im Besonderen.
2. In Anlehnung an das Protestschreiben gegen Julia Ruhs die Veröffentlichung eines Krite-rienkataloges für handwerklich korrekte Berichterstattung bei ÖRR-Politformaten im All-gemeinen und das Format „Klar“ im Besonderen.

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