„Nur wer den Weg der härtesten Einschränkung geht, handelt verantwortungsvoll“, dies war eine weit verbreitete Haltung während der Corona-Krise in Politik, Medien und Gesellschaft. Die Leidtragenden waren insbesondere Kinder sowie alte und kranke Menschen, deren Lebensqualität über zwei Jahre lang erheblich eingeschränkt wurde.
Ein kritisches Hinterfragen nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen blieb oft aus, ebenso eine Aufarbeitung der Corona-Zeit durch die Politik.
Das Buch „Angst, Glaube, Zivilcourage – Folgerungen aus der Corona-Krise“ (R. Brockhaus-Verlag), herausgegeben von Thomas Seidel und Sebastian Kleinschmidt, unternimmt den Versuch einer solchen Aufarbeitung. Es gab bereits eine erste Auflage, die bei einem evangelischen Verlag erschien und dann bemerkenswerterweise „depubliziert“ wurde. Dies ließen sich die Herausgeber Seidel und Kleinschmidt nicht bieten und suchten sich einen neuen Verlag, bei dem diese wesentlich breitere Auflage nun erscheint.
Die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder wirkte an dem Buch mit. Gemeinsam mit Armin Laschet, in den Corona-Jahren Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Detlev Krüger, bis 2016 Direktor des Instituts für Virologie an der Charité, dem Pneumologen Thomas Voshaar sowie der Theologin Dorothea Wendebourg stellte sie im Basecamp in Berlin-Mitte das Buch vor und diskutierte die Rolle der Politik, Medizin und Medien, sowie den vorauseilenden Gehorsam der Kirchen.
Dabei stellte die stellvertretende Vorsitzende der Denkfabrik R21 heraus, was die Maßnahmen für Kinder bedeuteten. Obwohl von Anfang an klar gewesen sei, dass junge Menschen glücklicherweise nicht nennenswert durch das Virus gefährdet waren, wurden sie mit besonders drastischen Maßnahmen überzogen, die ihnen weitgehend zwei Jahre unbeschwerte Kindheit nahmen. Es habe an Abwägung gefehlt und an der Einsicht, dass es auch möglich war, dass eine Maßnahme virologisch einen Nutzen hatte – aber gesamtgesellschaftlich einen ungleich größeren Schaden anrichtete.
Armin Laschet schilderte, wie es in den Ministerpräsidentenkonferenzen zusammen mit dem Kanzleramt oft einen Überbietungswettbewerb um den härtesten Kurs gegeben habe. Thomas Voshaar führte aus, wie ihm Zweifel an einem Kurs „möglichst früher Intubation“ kamen und er es als Klinikchef wagte, ein eigenes Modell später Intubation dagegen zu setzen – und dafür später breite Anerkennung erfuhr. Theologin Dorothea Wendebourg beklagte den „Kadavergehorsam“ der Kirchen bei gleichzeitiger Vernachlässigung kirchlicher Pflichten wie Seelsorge und Krankenpflege während der Pandemie.
Die Panelisten waren sich einig: Wir brauchen eine umfassende Aufarbeitung der Pandemie. Um daraus Lehren zu ziehen. Aber auch für das Seelenheil vieler Menschen.
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Kristina Schröder ist stellvertretende Leiterin der Denkfabrik R21 und arbeitet als selbständige Unternehmensberaterin, Publizistin und Kolumnistin bei der Tageszeitung WELT. Von 2002 bis 2017 war die Christdemokratin Mitglied des Deutschen Bundestages. Neben ihrem Mandat schrieb sie ihre Dissertation bei dem Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter zum Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit. Von 2009 bis 2013 war sie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Danke, emanzipiert sind wir selber. Abschied vom Diktat der Rollenbilder“ lautete der Titel ihrer 2012 erschienenen Streitschrift, in der sie für eine Politik der Wahlfreiheit und des Respekt des Staates gegenüber privaten Lebensentwürfen von Frauen und Familien plädiert. Im September 2021 veröffentlichte Kristina Schröder die Essaysammlung "FreiSinnig. Politische Notizen zur Lage der Zukunft". Schröder engagiert sich ehrenamtlich in der schulischen Elternarbeit und als Botschafterin der Initiative Neue soziale Marktwirtschaft.
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