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Foto: Denkfabrik R21

Buchtipp – Edmund Burke. Der Staatsmann als Philosoph

Matthias Oppermann,
Edmund Burke. Der Staatsmann als Philosoph
248 Seiten, Stuttgart (Kohlhammer) 2024
von Andreas Rödder

Edmund Burke wird immer wieder als „Urvater des Konservatismus“ bezeichnet. Das ist allerdings schnell gesagt – und was das eigentlich bedeutet, verdient einen genaueren Blick. Diesen Blick hat Matthias Oppermann, habilitierter Historiker, Leiter der Abteilung Zeitgeschichte bei der Konrad-Adenauer-Stiftung und Gastautor unseres Newsletters, auf den anglo-irischen „Staatsmann als Philosoph“ geworfen, dessen Lebensweg im 18. Jahrhundert durch seine Tätigkeit im britischen Parlament und durch die Amerikanische ebenso wie die Französische Revolution geprägt wurde.

Die berühmten „Reflexionen“ über diese Revolution in Frankreich aus dem Jahr 1790 stellten das Kondensat einer lange entwickelten und praktizierten allgemeinen Denkweise dar, die ihn zum „bedeutendsten politischen Denker des 18. Jahrhunderts“ machte. Sie war weniger „konservativ“ in einem preußisch-deutschen Sinne, sondern vielmehr „liberalkonservativ“ im britischen Sinne: Sie bereitete dem einzigartigen, auch und gerade von Konservativen getragenen und von Reformen geprägten Übergang Großbritanniens in die Moderne im 19. Jahrhundert den Weg. Burke präsentierte keine unwandelbaren Inhalte eines Konservatismus als Ideologie, sondern eine kontextgebundene, nicht ideologisch gesteuerte Herangehensweise an Politik, die der „Idee einer maßvollen, geordneten Freiheit“ verschrieben war. Überhaupt standen „Mäßigung und Klugheit“ ganz im Zentrum seines Denkens, dessen Kernthema der „Zusammenhang von Bewahrung und Reform in einem parlamentarischen, auf Freiheiten gegründeten System“ war: Wie müssen die überlieferten Verhältnisse verändert und reformiert werden, um sie zu bewahren und funktionsfähig zu halten?

Dies setzt freilich voraus, dass man die überlieferten Verhältnisse überhaupt für grundlegend bewahrenswert hält. Und hier liegen die großen Unterschiede, im Zeitalter der Französischen Revolution und der Industrialisierung ebenso wie heute, wenn weite Teile sowohl der Klimaaktivisten als auch der AfD vom verlorenen Paradies einer vorindustriellen Natur oder eines vormigrantischen Dorflebens träumen, das es so niemals gegeben hat.

Demgegenüber dient die von Edmund Burke formulierte und begründete politische Denkweise in den Kategorien geordneter Freiheit und maßvoller Reformen der Orientierung einer modernen bürgerlichen Politik auch im 21. Jahrhundert – und hinterlässt das Vermächtnis einer „konservativen Aufklärung“ (J.G.A. Pocock), dem sich auch R21 verpflichtet sieht. Unbedingte Leseempfehlung für alle, die etwas tiefer in dieses politische Schatzkästlein schauen wollen.

Andreas Rödder

Andreas Rödder ist Leiter der Denkfabrik R21 und Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Gegenwärtig wirkt er als Helmut Schmidt Distinguished Visiting Professor an der Johns Hopkins University in Washington. Er war Fellow am Historischen Kolleg in München sowie Gastprofessor an der Brandeis University bei Boston, Mass., und an der London School of Economics. Rödder hat sechs Monographien publiziert, darunter „21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart“ (2015) und „Wer hat Angst vor Deutschland? Geschichte eines europäischen Problems“ (2018), sowie die politische Streitschrift „Konservativ 21.0. Eine Agenda für Deutschland“ (2019). Andreas Rödder nimmt als Talkshowgast, Interviewpartner und Autor regelmäßig in nationalen und internationalen Medien zu gesellschaftlichen und politischen Fragen Stellung; er ist Mitglied im Vorstand der Konrad-Adenauer-Stiftung und Präsident der Stresemann-Gesellschaft.

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