Foto: Bundesbank

Kanzleramt schlägt Bundesbank

Für R21-Leiter Andreas Rödder ist der Rücktritt von Jens Weismann als Präsident der Bundesbank ein schlechtes Omen für die Stabilitätspolitik – und damit das Erfolgsgeheimnis der deutschen Marktwirtschaft. In einem Gastbeitrag in der Allgemeinen Zeitung ordnet Rödder Weidmanns Entscheidung historisch ein.

Jens Weidmann sei nicht der erste Bundesbankpräsident, der frustriert und zermürbt von der Politik das Handtuch werfe. Immer wieder sei es dabei um den Euro gegangen, so Rödder. Schon Karl Otto Pöhl und nach ihm Axel Weber legten das wichtige Amt nieder. Auch zwei deutsche Direktoriumsmitglieder, Jürgen Stark und Sabine Lautenschläger, seien vorzeitig zurückgetreten.

Die Ursache hierfür ist aus Rödders Sicht in der jeweiligen Bundesregierung zu finden: Sie sei allzeit bereit gewesen, deutsche Stabilitätsinteressen im Konfliktfall zugunsten der europäischen Integration zu opfern.

Kampf auf verlorenem Posten

Dabei sei Jens Weidmann kein Dogmatiker der reinen Lehre gewesen. Für ihn sei immer klar gewesen, dass die europäische Integration nicht ohne weitreichende Kompromisse funktioniert. Er habe die Ankäufe von Staatsanleihen in Notfällen mitgetragen, vor ihrer Ausdehnung und Verstetigung aber ebenso gewarnt wie vor der immer lockereren Geldpolitik einer EZB, die mit den Euro-Krisen der 2010er Jahre zum entscheidenden europäischen Player aufstieg.

„Die Stabilitätsorientierung der Bundesbank hatte die Verträge über die Währungsunion geprägt, wurde aber in der Praxis der EZB zunehmend an den Rand gedrängt. Statt ständig Rabbatz zu machen, verfolgte die Bundesbank unterdessen einen Kurs moderater Kritik, um ihr Pulver für den Ernstfall trocken zu halten“, meint Rödder. Vor diesem Hintergrund lasse sich Weidmanns Rückzug so verstehen, dass die von Berlin im Stich gelassene Bundesbank den stabilitätspolitischen Kampf aufgegeben hat – zumal in der EU eine neue Debatte um die Überprüfung der Fiskalregeln begonnen hat, während in Deutschland ein „kreativer“ Umgang mit der Schuldenbremse diskutiert werde. Beides ist nichts anderes als eine Aufweichung.

Vorsicht Abstieg

Wenn Deutschland und Europa dem Weg in eine schuldenfinanzierte, von Kommission und EZB politisch dirigierte Wirtschaft folgen, dann wird sich nicht nur die EU wieder einmal überheben, warnt der Historiker. „Dann droht auch der weitere Verlust von globaler Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft, an denen es Europa schon heute elementar mangelt. Es ist der Weg in den weiteren Abstieg Europas.“

Der Artikel in der Allgemeinen Zeitung >

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  • Andreas Rödder

    Andreas Rödder ist Leiter der Denkfabrik R21 und Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Gegenwärtig wirkt er als Helmut Schmidt Distinguished Visiting Professor an der Johns Hopkins University in Washington. Er war Fellow am Historischen Kolleg in München sowie Gastprofessor an der Brandeis University bei Boston, Mass., und an der London School of Economics. Rödder hat sechs Monographien publiziert, darunter „21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart“ (2015) und „Wer hat Angst vor Deutschland? Geschichte eines europäischen Problems“ (2018), sowie die politische Streitschrift „Konservativ 21.0. Eine Agenda für Deutschland“ (2019). Andreas Rödder nimmt als Talkshowgast, Interviewpartner und Autor regelmäßig in nationalen und internationalen Medien zu gesellschaftlichen und politischen Fragen Stellung; er ist Mitglied im Vorstand der Konrad-Adenauer-Stiftung und Präsident der Stresemann-Gesellschaft.

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