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Foto: Denkfabrik R21

Grüne und linke Positionen haben keine Mehrheit mehr

Dieser Artikel von Jan Hildebrand erschien am 9. April 2024 im „Handelsblatt“.

Berlin. Kristina Schröder und Martin Hagen haben sich während der Coronapandemie über Twitter kennengelernt. Die frühere CDU-Familienministerin und der Vorsitzende des bayerischen FDP-Landesverbands kritisierten Lockdown-Maßnahmen, insbesondere Schulschließungen, wofür sie damals angefeindet wurden. Aus dem losen Kontakt ist mittlerweile eine professionelle Zusammenarbeit geworden. Schröder und Hagen wollen mit „Republik 21“ (R21) eine konservativ-liberale Denkfabrik in Deutschland etablieren.

Vor einigen Monaten meldete sich Schröder bei Hagen mit der Frage, ob er Geschäftsführer der „Denkfabrik für neue bürgerliche Politik“, wie sich R21 selbst beschreibt, werden wolle. „Ich habe nur eine Nacht überlegt, ob ich das Angebot annehme“, sagt Hagen. Dann habe er zugesagt. „Für mich ist es die Chance, meine Leidenschaft für Politik wieder zum Beruf zu machen.“

Bei der bayerischen Landtagswahl im Oktober haben die Liberalen den Wiedereinzug ins Parlament verpasst. Im Ehrenamt ist Hagen weiter Vorsitzender des Landesverbands, hauptberuflich arbeitet er seit Anfang April nun für R21.

Schröder hatte den Thinktank im Jahr 2021 mit anderen Mitstreitern wie dem Historiker Andreas Rödder und der Unternehmerin Natalie Mekelburger gegründet. Es war auch eine Reaktion auf die Niederlage der Union bei der Bundestagswahl.

„Uns Bürgerlichen ist es zu selten gelungen, mit eigenständigen Positionen in aktuellen Debatten aufzutreten“, sagt Kristina Schröder. „Auch die CDU hatte lange Zeit grüne Positionen übernommen und die nur um zehn, 15 Prozent abgeschwächt.“ Das Ziel von R21 sei es, „Debatten wieder zu weiten“.

Republik 21: „Wir sind ein politisches Start-up“

Doch die richtige Durchschlagskraft fehlte der Initiative bisher. Das soll sich nun mit Geschäftsführer Hagen ändern. Der hat im bayerischen Landtagswahlkampf durchaus bewiesen, dass er kampagnenfähig ist, auch wenn es am Ende für die Liberalen nicht gereicht hat. „Wir sind ein politisches Start-up“, sagt der FDP-Politiker. „Jetzt wollen wir den nächsten Schritt gehen: unsere Arbeit professionalisieren, zum Beispiel mit einem Büro in Berlin, und uns als liberal-konservative Stimme im öffentlichen Diskurs etablieren.“

Damit liegen Schröder und Hagen durchaus im Trend. Auch in Berlin gibt es mittlerweile einige schwarz-gelbe Runden von Politikern. Die FDP leidet an der Ampelkoalition, und viele in der Partei sehnen sich nach neuen Regierungskonstellationen. Die Union liegt in Umfragen bei 30 Prozent und bereitet sich auf eine mögliche Regierung vor. Die FDP gilt als natürlicher Koalitionspartner, auch wenn es derzeit in den Umfragen nicht für ein gemeinsames Bündnis reichen würde.

“Grüne und linke Positionen haben in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr.”
Martin Hagen
Vorsitzender des bayerischen FDP-Landesverbands

Genau das wollen Schröder und Hagen mit R21 ändern. „Grüne und linke Positionen haben in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr“, sagt der FDP-Politiker. „Die Herausforderung ist, diesen Trend in parlamentarische Mehrheiten für Schwarz-Gelb umzumünzen.“

Bisher wurde der Thinktank vor allem als CDU-nah wahrgenommen. Die Leitung hatten seit Gründung Schröder und Rödder inne. Der Historiker war bis vergangenen Herbst auch Vorsitzender der CDU-Grundwertekommission. Den Posten gab er auf, nachdem er für Aussagen zur AfD auch aus der Partei kritisiert wurde.

Mit FDP-Präsidiumsmitglied Hermann Otto Solms gehörte zwar auch ein Liberaler zu den Initiatoren von R21. Durch Geschäftsführer Hagen wird die FDP nun aber auch nach außen sichtbarer.
Manager bei R21 – aber es geht um mehr als Wirtschaftsthemen.

Die Finanzierung einer solchen Denkfabrik sei ein mühsames Geschäft, sagt die frühere Familienministerin. Aber R21 habe mittlerweile 800 Fördermitglieder, die die Initiative mit unterschiedlichen Beiträgen unterstützen würden, „von 20 Euro bis 20.000 Euro“.

Zwar gehören dem R21-Beirat auch Manager wie Allianz-Aufsichtsratsvorsitzender Nikolaus von Bomhard oder der frühere Volkswagen-Chef Matthias Müller an. Doch R21 will sich im Gegensatz zu Gruppen wie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft nicht nur zu ökonomischen Fragen positionieren, sondern auch große gesellschaftliche Diskussionen prägen.

Schröder nennt „die Sorge um Freiheit und Wohlstand“ als das bestimmende Thema für R21. „Wir planen in diesem Jahr Schwerpunkte zur Klimapolitik und zur Migrationspolitik.“ Zwischen der CDU unter Friedrich Merz und der FDP gibt es bei diesen Themen große Schnittmengen. Mit den Grünen geraten die Liberalen in der Ampelkoalition immer wieder aneinander.

Martin Hagen sieht die konservativ-liberalen Positionen bei all diesen Fragen im Aufwind. „Die grüne Hegemonie geht zu Ende“, sagt er. Die entscheidende Frage sei, was darauf folge: „Ist es ein rechtes Wutbürgertum wie bei Trump in den USA?“ Das sei nicht die Vorstellung von R21. „Wir wollen dem bürgerliche Vernunft entgegensetzen.“

Auch wenn sich R21 vor allem als Gegengewicht zu rot-grünen Denkfabriken versteht: Die Abgrenzung zur AfD steht für Hagen und Schröder außer Frage. Die AfD zu schrumpfen sehen sie auch als Aufgabe für Liberale und Konservative.

Martin Hagen

Martin Hagen ist Geschäftsführer der Denkfabrik R21, Landesvorsitzender der bayerischen FDP und Gemeinderat in Vaterstetten. Er wurde 1981 in La Spezia (Italien) geboren, wuchs im Landkreis Rosenheim auf und studierte in München Politikwissenschaft. Danach war er unter anderem als Pressesprecher, Hauptgeschäftsführer und selbständiger Kommunikationsberater tätig. 2018 führte er die FDP als Spitzenkandidat zurück in den Bayerischen Landtag und war dort fünf Jahre lang Fraktionsvorsitzender. Das Wirtschaftsmagazin “Capital” zeichnete ihn 2018, 2019 und 2020 dreimal in Folge mit dem Titel „Junge Elite – Top 40 unter 40“ aus. Hagen lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Baldham.

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Kristina Schröder

Kristina Schröder ist stellvertretende Leiterin der Denkfabrik R21 und arbeitet als selbständige Unternehmensberaterin, Publizistin und Kolumnistin bei der Tageszeitung WELT. Von 2002 bis 2017 war die Christdemokratin Mitglied des Deutschen Bundestages. Neben ihrem Mandat schrieb sie ihre Dissertation bei dem Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter zum Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit. Von 2009 bis 2013 war sie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Danke, emanzipiert sind wir selber. Abschied vom Diktat der Rollenbilder“ lautete der Titel ihrer 2012 erschienenen Streitschrift, in der sie für eine Politik der Wahlfreiheit und des Respekt des Staates gegenüber privaten Lebensentwürfen von Frauen und Familien plädiert. Im September 2021 veröffentlichte Kristina Schröder die Essaysammlung "FreiSinnig. Politische Notizen zur Lage der Zukunft". Schröder engagiert sich ehrenamtlich in der schulischen Elternarbeit und als Botschafterin der Initiative Neue soziale Marktwirtschaft.

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